Über des Menschen zweites Gehirn! Das ist DAS Buch des Jc1zsolhuahres 2014!

 

Warum dies Buch jeden angeht, und nun unser Buch Nr. 1 ist. Worin  buchstäblich auf jeder Seite etwas Überraschendes und überaus Wissenswertes steht, obwohl wir, weil es ausnahmslos jeder von Anfang an zu kennen meint, Darm und Verdauung … na ja, und?

Wissen wir aber wirklich alles? Wir sollten aber.. Denn dann geht es beim Lesen, sowohl mit dem Staunen als auch dem richtig Spannenden los: Enthält es doch tatsächlich so unvorstellbar vielseitige Neuigkeiten, die nicht nur spektakulär, sondern auch noch sofort praktisch nutzbar sind. Denn bis zu diesem Buch hätte sich kein Mensch vorstellen können, wie amüsant und ebenso fesselnd ein wissenschaftlicher Wissens- und Forschungskomplex sein kann. Modernste medizinische Forschungsgebiete – aber nicht besserwisserrisches  trockenes Kathederwissen,  sondern außerordentlich anschaulich, witzig und einprägsam vorgestellt. Schon allein die Sprache zeigt, Giulia Enders ist überaus befähigt und begabt, wirklich ein Glücksfall.

Wovon sie berichtet, sind unsere  allerinnersten Regungen, die Tag und Nacht  in jedem von uns ablaufen, von denen wir nahezu nichts wissen – und von denen wir kaum bis niemals reden.

Aber ahnten sie, dass Sie hier Näheres über ein, über Ihr zweites Gehirn erfahren würden?

Soweit es aber den Darm betrifft,  handelt es sich sozusagen um eine Art Geheimwissen.  Ausnahmslos jeder hat damit zu tun – aber wie nach einem ungeschriebenen Gesetz scheut man sich, zu reden von dem was da  mitten in uns schaltet und waltet– in unserem Bauch. Schon als Baby kann einen da was piesacken, später auch, oft immer heftiger und im Alter wäre es erst recht gut, wenn man über seine ‘Mitte’ mehr wüsste. Obendrein ist das, was dabei sichtbar herauskommt, für viele überhaupt nicht besonders reizvoll. Etwas peinlich. Eben gelegentlich ein “Pups”  und das andere, wofür man erst mühsam eine salonfähige Bezeichnung finden muss. 

Wie es bei einem Menschen aussieht, öffnet man die Bauchdecke – das kenne ich nur von Bildern. Aber ich durfte bei den Operationen meiner Hunde zusehen und war jedesmal fasziniert, von dem sowohl formschönen, kunstvoll geordneten, sauberen, blanken Inneren – schon allein die zarten Farben – man kann es nicht anders nennen – was man erblickte war Kunst in höchster Vollendung, lebendiges Kunstwerk! Und genau so sieht es auch in uns aus –

So kann ich die begeisterte Faszination der Autorin verstehen, die des Menschen Inneres nicht nur einmal (sowie unter dem Mikroskop) betrachtet hat, sondern nicht eher aufhören mochte, alle Informationen zu sammeln, die sie nur irgend über dieses bestaunenswerte Kunstwerk zusammentragen konnte. Das wird nun ihre Dissertation (und vielleicht auch das Lebensthema?) dieser jungen, jetzt erst vierundzwanzigjährigen angehenden Ärztin. Mit ziemlicher Sicherheit wird sie eine sehr gute Ärztin oder eine hervorragende Wissenschaftlerin, denn in ihrer Kindheit und Jugend hatte sie das ‘Glück’, Krankheiten zu erleiden, bei denen die Ärzte nicht weiterwussten und konnte dabei am eigenen Leibe erleben,  dass oft nur die unermüdliche  Phantasie des Kranken endlich weiterhilft.

Bei ihr waren es unverheilbare Wunden, zunächst an einem Bein, dann nach und nach am ganzen Körper. Salben vom Hautarzt halfen (natürlich) nicht. Dann las sie von einem Mann mit den gleichen Symptomen – und der hatte, aus irgendwelchen anderen Gründen, gerade so wie sie selbst, vor der Erkrankung Antibiotika genommen. (Weiter unten komme ich darauf nochmals zurück.) Das war bei ihr der Beginn des Verstehens ihrer Krankheit: Die hatte was mit dem Darm zu tun! Im ersten Medizin-Semester äußerte sie bei ihren Kommilitonen gelegentlich ihre vagen diesbezüglichen Vermutungen, die sich oft bestätigten, dass ganz unterschiedliche  Verstimmungen oder Krankheitsformen in dem einen oder anderen Fall, etwas mit dem Darm zu tun haben könnten.

Höchstens bei Babys ist die Verdauung ein Thema, worüber man sich ungeniert mit anderen unterhält: Blähungen, Durchfall, unterschiedliche Farben, Verstopfung können da leicht ein abendfüllendes Thema werden.  Was aber später die Erwachsenen betrifft – da geniert man sich ungemein. – Ausgerechnet der Darm! Das schwarze Schaf unter den Organen, das einem doch bisher eher unangenehm war. Aber, keine Angst, in diesem Buch wird sogar der “Pups” zum hübschen Wort.

Denn mit diesem Buch wird sich das genierliche Image ändern. Nicht nur Durchfall oder Verstopfung, auch Übergewicht, Depressionen und Allergien hängen überraschend oft  mit einer gestörten Balance der Darmflora zusammen. Das heißt umgekehrt: Wenn wir uns in unserem Körper wohlfühlen, (oder umgekehrt: wenn dieses Gebilde in uns sich wohlfühlt ) länger leben und glücklicher werden wollen, müssen wir unseren Darm besser kennenlernen und sorgfältiger damit umgehen.  Das zumindest legen die neuesten Forschungen, von denen hier berichtet wird, nahe. In diesem Buch, das alles andere als ein Rezeptbuch oder bloß praktischer Ratgeber ist, erklärt die junge Wissenschaftlerin Giulia Enders vergnüglich, welch ein hochkomplexes und wunderbares Organ der Darm ist. Warum er der Schlüssel ist zu einem gesunden Körper und einem gesunden Geist und eröffnet uns einen ganz neuen Blick.

Gleichzeitig macht sie dem Leser eindringlich klar, welche Verheerungen unnötig verwendete Antibiotika haben, die – wenn überhaupt! – nicht nur den schädlichen Eindringling vernichten, sondern gleichzeitig auch diesen kostbaren Schatz der Mikroorganismen in unserem Inneren den Gar aus machen können. Es braucht eine lange Zeit, bis das alles wieder aufgebaut ist und wirken kann.

Warum es der Autorin wichtig war, dies Buch zu schreiben,  erklärt sie so  und trifft damit den Nagel auf den Kopf: “Manchmal erschreckt es mich, wenn Wissenschaftler hinter geschlossenen Türen über wichtige Erkenntnisse diskutieren – ohne dass die Öffentlichkeit darüber informiert wird. ( …) Es gilt in der Wissenschaft als anerkannt, dass Menschen mit bestimmten Verdauungsproblemen   häufig Nervenstörungen im Darm haben. Ihr Darm sendet dann Signale an einen Bereich im Gehirn, der unangenehme Gefühle verarbeitet, obwohl sie gar nichts Schlimmes getan haben.      Die Betreffenden fühlen sich unwohl und wissen nicht, warum das so ist. Wenn ihr Arzt sie dann als irrationale Psychofälle behandelt, ist das sehr kontraproduktiv! Das ist eines der Beispiele dafür, dass manches Forschungswissen schneller verbreitet werden sollte!” 

Und diese ‘Verbreitung’ gelingt ihr auf einzigartige Weise. Nicht nur, dass sie über diese höchst komplexen Zusammenhänge informiert, sondern auch wie sie das macht, ist lebendig, plastisch, witzig und immer konkret. Am Anfang erwähnt sie einen Mitbewohner, der sie in der Küche mehr nebenher fragt: “Du studierst doch Medizin – wie geht kacken?”

Mit einem Satz ließ sich das nicht beantworten. “Als ich die Antwort fand, war ich völlig baff. Etwas so Alltägliches war viel klüger und beeindruckender, als ich jemals gedacht hatte.“ Regelrecht beflügelt hat sie die Begeisterung, etwas Einzigartiges und Großartiges schildern zu können, das letztlich zu dem oben gefragten Vorgang führt; diese schwungvolle Energie – sie hält sie von der ersten bis zur letzten Seite durch – überträgt sich auch auf den Leser. 

Den lässt sie den Anfang der Reise durch den Magen selbst ertasten: Jeder kann die Speicheldrüsen im Mund fühlen – aber wussten Sie, dass Speichel gefiltertes Blut ist? Dann geht es durch die außerordentlich durchdacht konstruierte Speiseröhre (man kann sogar im Handstand etwas schlucken!) hinab in den Magen – aber nicht direkt von oben, sondern etwas seitlich versetzt, damit das dort Gespeicherte und zu Bearbeitende nicht ungewollt wieder zurück nach oben gelangen kann.

Überhaupt: Bereits am Speichel ist einiges erwähnenswert:  Darin ist beispielsweise ein Schmerzmittel enthalten (das Opiorphin), das viel stärker wirkt als Morphium. Das wird auch gebraucht, “denn in unserem Mund gibt es so viele Nervenenden, wie kaum an einem andern Ort im Körper.” Daran, dass Opiorphin auch antidepressive Eigenschaften haben könnte, wird derzeit geforscht.

Da der Magen höher sitzt, als man oft  meint, kann es  im Magen-Darm-Bereich zu gelegentlich falsch diagnostizierten Schmerzen kommen: Ist nämlich dort alles prall mit – Luft gefüllt, kann einem schwindelig werden, oder man gerät in Atemnot  – oder es kommt gar zu einem starken Schmerz im Brustbereich, dass man einen Herzinfarkt befürchtet – – da  helfen dann eben erstmal nur rülpsen oder pupsen und der Verzicht auf blähendes Essen – aber auch auf Alkohol: Alkohol kann gasproduzierende Bakterien bis auf das Tausendfache erhöhen!

Insgesamt beschreibt das Buch das, was unser Leben ausmacht – diese riesige Maschinerie in unserer Körperhöhle, umschlossen von oben den Schultern und den Rippen, hinten der Wirbelsäule und unten den Beckenknochen. Es ist unser Leben das da unermüdlich weiter erzeugt,  erarbeitet und erhalten wird,. Unerwartet aber ist, dass  jene andere, gewaltige Maschinerie in der Körperhöhle unseres Kopfes, unser Gehirn, von dem dauernd und mit größter Hochachtung geredet wird, gar wenig Einfluss hat auf das, was weiter unten erarbeitet wird und – genau genommen – den ‘Kollegen da oben’ sorgsam und bevorzugt ernährt. Immerhin 20 % dessen, was irgendwo innen-weiter unten geschaffen wird, muss – eine Art Zoll – gleich mal nach oben abgeführt werden. Den entgegengesetzten Mitteilungs-Strom, von unten nach oben, den gibt es sehr wohl. Wenn einem beispielsweise etwas auf den Magen geschlagen ist – was bis zu Depressionen führen kann.

Das Bisschen, was von uns gefordert wird, ist, das richtige Brennmaterial für den Fabrikationsprozess innen-weiter-unten anzuliefern. Wenig genug, angesichts des ganz Außerordentlichen, was dann daraus wird. Denn da arbeiten keine ‘ungelernten’, Tagelöhner oder Gastarbeiter. Schon allein der Dünndarm, den die Autorin als Perfektionisten beschreibt – mit seinen Falten, Zotten und Zotten auf Zotten – genau entspricht das etwa sieben Kilometern!

“Insgesamt verdauen wir also auf einen Gebiet, das hundertmal größer ist als unsere Haut.  Das scheint ziemlich unverhältnismäßig für eine kleine Portion Pommes oder einen einzelnen Apfel.
Aber genau genommen darum geht es in unserem Bauch: Wir vergrößern uns selbst und verkleinern alles Fremde, bis es so winzig ist, dass wir es aufnehmen können und so ein Teil von uns wird.”

Wovon auch wieder kaum jemand Genaueres weiß, ist das Nervensystem des Darms. Hier gibt es Stellen, wo das Unbewusste an das Bewusste grenzt. Bewusst nehmen wir unsere Nahrung nur mit Auge, Nase, Mund, und ein Stückchen in der Speiseröhre wahr – “aber dann – paff! – ist unser Essen weg. Ab hier verschwindet alles in einen Bereich, der medizinisch-sachlich ‘glatte Muskulatur’ heißt; sie ist bewusst nicht kontrollierbar. ”

Dass das Nervensystem des Darms nicht nur selbständig arbeitet, (es ist vielmehr das größte sensorische Organ unseres Körpers, eine Art, noch dazu lernfähiges zweites Gehirn)  kann man dann sehen, wenn man seine Verbindung zum Gehirn durchtrennt: ‘Unten’ arbeitet alles unverdrossen und tatkräftig weiter.

Warum nun auch auch der Blinddarm gar nicht so unnötig ist, wie oft vermutet, wird uns nun auch nicht mehr erstaunen: “Der Wurmfortsatz  [ein Anhängsel des Dickdarms] ist nicht nur zu winzig, um sich mit Nahrungsbrei zu beschäftigen, er hängt auch nur noch an einer Stelle, zu der kaum Essen hinkommt. (…) Während in den Wänden des Dickdarms große Lager an Immunzellen sind, besteht der Wurmfortsatz fast ausschließlich aus Immungewebe. Kommt hier ein schlechter Keim vorbei, ist er rundherum umzingelt. Da heißt allerdings auch, dass sich alles rundherum entzünden kann.  (…) So kommt es zu den mehr als hunderttausend ‘Blinddarm-OPs jedes Jahr allein in Deutschland.” 

Nicht unkritisch erwähnt sie Ärzte, die nur zu leicht Menschen mit sehr unangenehmen und oft chronisch werdenden Darmproblemen als Hypochonder bzw. Simulanten abtun. Neuere und sehr aufschlussreiche Versuche sowohl an Mäusen als auch am Menschen beweisen, das man die Auswirkung der Darm-Hirnleitung bereits ziemlich gut zu verstehen beginnt. Eine erste Studie über die Auswirkung von Darmpflege auf gesunde menschliche Hirne wurde 2013 veröffentlicht.

Was nichts anderes heißt, als dass man Gefühle, Emotionen und Stress sichtbar (Hirnscanner)  machen und so zu verstehen lernen kann.  Sie beschreibt eindringlich die Bedeutung einer gesunden Darmflora, die viel mehr ist, als nur für gesunde Verdauung zu sorgen. Man muss also der Betrachtung dessen, was ‘hinten’ rauskommt, noch einen weiteren Gedanken an das, was ‘oben’ rauskommt hinzufügen. Und noch etwas Interessantes beschreibt sie: Dass jeder Mensch über eine ganz eigene, individuelle Darmflora verfügt, was so weit geht, dass bei einer bestimmten Konstellation – was man an Mäusen erprobt hat – sogenannte ‘Moppelbakterien’ überhand nehmen, die aus der Nahrung aber auch das letzte Fitzelchen herausholen – Folge: Gewichtzunahme. Da sind viele Erwartungen in laufenden Studien, sowohl was die Gewichtsentwicklung wie aber auch die Allergie-, Schmerz-, und Depressionsbehandlung betrifft.

Gerade diese Aus- und Einblicke in die wissenschaftliche Forschung machen dieses (auch noch höchst amüsante) Buch besonders interessant. Nicht unerwähnt lassen darf man die treffenden  Illustrationen der Schwester der Autorin: Jill Enders. Sie sind genau so treffend und pfiffig wie der gesamte Text.

Fazit: Ein ganz außergewöhnliches Buch, das nahezu jeder unbedingt lesen sollte. 

                                                                                   

 

Darm mit Charme
von Enders, Giulia;
Gebunden
Alles über ein unterschätztes Organ. 288 S. 19,5 cm 423g , in deutscher Sprache.
2014   Ullstein HC
ISBN 3-550-08041-7 ISBN 978-3-550-08041-8   16.99 EUR