Die zehn besten Krimis im Juni 2015

Jeden ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten die Romane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben, von Tobias Gohlis

1(-) Merle Kröger: Havarie
Ariadne bei Argument, 256 S., 15,– €

Mittelmeer, das Mare Nostrum. Eine Beinahe-Kollision: Unten ohne Sprit das Schlauchboot der algerischen Flüchtlinge, oben auf der „Spirit of Europe“ die Kreuzfahrtgäste, die das Spektakel knipsen. „Festung Europa“ als Schurke, Wimmelbild der Migration, Roman der Stunde.

2(10) Dominique Manotti: Abpfiff
Aus dem Französischen von Andrea Stephani; Ariadne, 230 S., 17,– €

Lisle-sur-Seine 1990. Inspecteur Romero und eine Nadine Speck werden abgeknallt. Commissaire Daquin will den Mörder seines Kollegen zur Rechenschaft ziehen und zerrt an den Netzwerken von Lokalpolitik, Sport und Geld. „Die Träume der Banlieue sind unantastbar.“ Denkste.

3(-) Sara Gran: Dope

Aus dem Englischen von Eva Bonné; Droemer, 256 S., 12,99 €

Manhattan 1950. Eins ist klar für Ex-Junkie und Taschendiebin Joe: Sie bleibt clean. Da passt es, dass sie in der Drogenszene von New-York ein abgängiges Töchterchen finden soll. Besser einen Tausender von Spießer-Eltern annehmen als Rückfall, Armut oder Tod. Sara Gran macht Noir neu.

4(1) James Lee Burke: Sturm über New Orleans
Aus dem Englischen von Georg Schmidt; Pendragon, 576 S., 17,99 €

Louisiana, August 2005. Katrina zermalmt New Orleans. Das faulige Wasser schwemmt Serienmörder, Plünderer, Böses und Gutes hoch. Im Chaos des Überlebenskampfes, zwischen Ertrinkenden und Obdachlosen: Dave Robicheaux, orientierungslos stur, will es richten. Elementar.

5(-) Gary Victor: Soro
Aus dem Französischen von Peter Trier; litradukt, 144 S., 11,90 €

Port-au-Prince 2010. Haiti braucht einen Kerl wie Dieuswalwe Azémar. Als er die Frau seines einzigen Freundes und Chefs vögelt, stürzt das Hotel ein: Orgasmus plus Erdbeben. 200 000 Tote. Alles ist im Arsch, sogar Soro, der Schnaps der Ärmsten, ist verdorben. Höllentrip, Wutrausch, Victor!

6(-) Mukoma wa Ngugi: Black Star Nairobi
Aus dem Englischen von Rainer Nitsche und Niko Fröba; Transit, 256 S., 19,80 €

Nairobi/Mexiko. Eine Leiche im Totenwald, eine Bombe im Norfolk-Hotel: Wahlkampf in Kenia. Das amerikanischafrikanische Detektivduo Ishmael und O schlägt sich durch eine Welt in Fetzen und aus blutigen Täuschungen. Schwarz ist nicht Schwarz und Gutmensch nicht gut.

7(-) Davide Longo: Der Fall Bramard
Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner; Rowohlt, 320 S., 19,95 €

Piemont. Kommissar Bramard fand das schrecklich schön: die Muster der Messerschnitte im Rücken seiner toten Frau. Jetzt klettert er allein steile Wände hinauf. Dann der Brief mit dem Haar. Mit dieser DNA-Spur winkt sein Gegenspieler, der seit 20 Jahren gesuchte Ritualmörder. Gleißendes Zwielicht.

8(3) James Ellroy: Perfidia
Aus dem Englischen von Stephen Tree; Ullstein, 956 S., 25,– €

Los Angeles 1941. Am Tag vor Pearl Harbor wird die Farmerfamilie Watanabe rituell aufgeschlitzt. Zwei weiße Cops, ein US-japanischer Forensiker und ihrer aller It-Girl Kay Lake krabbeln spermienhaft durch Kriegs- und Rassenwahn, Immobilienschwindel und Mord. Ziel: Erlösung/Lust. Ellroy back to his roots.

9(9) Benjamin Black: Die Blonde mit den schwarzen Augen
A. d. Engl. v. Kristian Lutze; KiWi, 288 S., 14,99 €

Los Angeles, 1950er. Romantiker, dein Name ist Philip Marlowe. Im Auftrag der Chandler-Erben arrangiertes Revival. Marlowe verfällt Blondine bis zur Bewusstlosigkeit. Freundschaft, Liebe – selbst das Gentleman-Konzept: nix als Tinnef. Chandler- Makramee aus irischer Edelfeder.

10(2) Zoë Beck: Schwarzblende
Heyne, 416 S., 9,99 €

London. „Allahu akbar!“ – Zwei Islamisten hacken einem Jungen den Kopf ab. Zufallszeuge Niall kann das Gesehene nicht begreifen. Der Dokumentarfilmer recherchiert Hinter- und Beweggründe im rechtsstaatlichen Niemandsland. An der Schmerzgrenze, beklemmend aktuell, nix für Schönschwätzer.

Quelle: Zeit.de