Ein evangelischer Pastor der nicht an Gott glaubt?  – mutig! ?
Oder: Wie er sich Gott also doch vorstellt!
Dies brisante Buch werden viele lesen und diskutieren!

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Auch Pastor Hendrikse wundert sich über seine Kirche, die meint:  „Wir müssen ertragen können, dass ein Pfarrer sagt, Gott bestehe nicht. Das ist Teil der theologischen Debatte.

Eine solche Meinung tastet die Fundamente der Kirche nicht an.“ So begründet Pfarrer Michiel de Zeeuw, einer der Kirchenoberen aus der PKN, den überraschenden Entscheid. „Wir müssen weg von dem Gottesbild, das manche haben, die sich Gott als einen alten Mann mit einem langen Bart vorstellen.“

[Unter uns gesagt: Dies DIN-gemäße Gottesbild entstand u.a. vor tausenden von Jahren im orientalischen Raum und wurde von den vormaligen Juden ins Alte Testament geschrieben! Das Alte Testament ist eine Zusammenstellung unterschiedlichster Texte. Neben historischen Berichten, Gesetzen, alten Mythen und Legenden finden sich dort Weisheiten, Gedichte und Gesänge sowie prophetische Texte. Also: Ab dem Alten Testament schon mal nur ein Gott!

Aber, dass nicht mehr von Göttern sondern von einem Gott gesprochen wird, geht bis in die Eisenzeit  zurück, die neben der Steinzeit und der Bronzezeit als dritte große Periode der Frühgeschichte gilt.

An das Alte Testament schließt sich das Neue Testament, die Grundlage des Christentums,  an, beides zusammen ist dann die Heilige Schrift der Christenheit – Der Jesus, hier der Gottessohn, ist ganz neu, aber der ‘alte Gott’ ist irgendwie erhalten geblieben.]

Pastor Hendrikse ist Sohn atheistischer Eltern – aber was er in christlichen Familien erlebte: deren Frömmigkeit beeindruckte ihn sehr. So studierte er als Zweitberuf Theologie – und er wunderte sich wieder, als es dann tatsächlich Gemeinden gab, die ausgerechnet ihn wollten.

Ehrlich gesagt: Mich wundert das nicht: Ich hätte auch gern so einen Pastor, der darüber nachdenkt, ob die immerhin menschgemachte Bibel genau das noch sagt, was ein Gott im 21. Jahrhundert  seinen Menschen zu sagen hätte. Oder was er sagen würde, wenn er das dürfte. Und dass die Bibel ein menschengemachtes Buch ist, das lernt man eben während des Theologiestudiums! Und dass man lernen kann, auch noch im 21. Jahrhundert mit Genuss in der Bibel zu lesen , und erstaunlich viel findet, das gerade heute gilt.

Zum Glück ist Pastor Hendrikse protestantischer Theologe geworden, was letztlich auf Luther zurückgeht, dem einiges an der damaligen katholischen Kirche nicht passte. Und tatsächlich ist es bis heute so, dass das Meiste, was an der Bibel und in der Religion ‘kritisch’ untersucht wurde, von protestantischen Geistlichen stammt. Fragt sich nur, ob ein protestantischer Pastor bei uns  heute soetwas sagen dürfte, wie Pastor Hendrikse in Holland.

Aber da gibt es wenig Hoffnung bei uns in Deutschland: Ich fürchte nämlich, man lässt ihn – Gott – mehr und mehr einfach nicht zu Wort kommen. Während nämlich Klaas Hendrikse in den Niederlanden sagen darf, dass er zwar göttliche Begegnungen kennt, bei denen es aber keinen ‘Rauschebart-Gott’  gibt. Die evangelische Kirche bei uns ist da ganz eindeutig: .

„Wer sagt, es gibt keinen Gott und der Heiland ist nicht auferstanden, steht eindeutig außerhalb des kirchlichen Konsenses“.  (O-Ton EKD)

Wenn ein Pastor, Paul Schulz z.B:, früher Pastor an der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi, der schon in den 70er Jahren predigte, dass es Gott nicht gibt, der muss sich wie dieser  nach vielen Debatten  einem Lehrzuchtverfahren [hat nichts mit Landwirtschaft zu tun!] unterziehen und wird aus dem Dienst entlassen. das war aber  das bisher einzige Mal, dass die evangelische Kirche derart drastisch gegen einen Pfarrer vorgegangen ist.

Anders erging es allerdings in neuerer Zeit dem Professor für evangelische Theologie Gerd Lüdemann. Der hat untersucht, welche der Jesus zugeschriebenen Sätze tatsächlich auf Jesus selbst zurückgehen. Er kam zu ähnlichen Ergebnissen wie vor ihm der protestantische Professor Rudolf Bultmann, der einmal festgestellt hat, dass die ‘echten’ Worte Jesu auf einer Postkarte Platz hätten. Rudolf Bultmann konnte das ungestraft sagen, Gerd Lüdemann nicht. Aber der sollte ja auch künftigen Pastoren beibringen, was sie zu glauben haben.

Klaas Hendrikse lässt uns teilhaben an seinen ‘atheistischen’ Überlegungen. Auf Seite 110 drückt er es sehr schön aus: “Gott ist ein Teil Deiner Geschichte, er ist eines der Worte, mit denen Du Deine Lebensgeschichte erzählst.”  Einige Seiten vorher hat er nämlich beispielsweise an den “Nikolaus-Gott” erinnert, an den man als Kind solange glaubte, bis man merkte, wer sich dahinter verbarg. Und weiter schreibt er: “ So hat es auch mit Gott begonnen: Im Anfang gab es Geschichten über Götter. Jeder Stamm, jedes Volk hatte seine eigene Geschichte von der Entstehung der Menschen und der Erde und vom Walten der Götter über das menschliche Leben. Ohne Geschichten kann Gott nicht zur Sprache kommen.Und so geht es noch immer. Gott ist ein erzählter Gott. (…)  Es gibt Gott nicht ohne Menschen.”

Es ist ein schmales, aber wunderschönes Buch, wo man einiges immer ´wieder liest, weil man darin gerne mitdenkt. Wenn es beispielsweise um die Geschichten der Bibel geht, und wie Klaas Hendrikse sich dem Moses so verwandt fühlte: “Manchmal fühle ich mich, – gerade wie er – getragen, manchmal dagegen alleingelassen in dieser Wüste. Seine Erfahrungen im Unterwegs-Sein sind die gleichen wie meine. (…) Die Wüste ist dann  kein geologisches Phänomen mehr, sondern die Bezeichnung für eine Situation, in der ein Mensch auf die Probe gestellt wird durch die Unwirtlichkeit und Undurchschaubarkeit des Lebens.”

Und wie ist das mit dem Gott, von dem viele meinen, dass sie ihn in sich haben? Jeder. Dazu zitiert Klaas Hendrikse Chesterton:

“Von allen schrecklichen Religionen ist die schrecklichste der Kult um den Gott im Innern. Dass Meier den Gott in seinem Innern anbeten soll, läuft letztlich darauf hinaus, dass Meier Meier anbetet.”

 

Wie bei fast allen meinen Rezensionen lasse ich auch hier am liebsten den Autor selbst zu Wort kommen:

Der Leser, den ich beim Schreiben stets vor Augen hatte, ist sich nicht so sicher. Er zweifelt oder glaubt überhaupt nicht (mehr) daran, dass es Gott gibt, und fragt sich, welchen Sinn es hat zu glauben, wenn es Gott nicht gibt. (Mancherlei Sinn, sage ich mal vorläufig.) Innerhalb der Kirche sehe ich ihn als einen, der Woche für Woche erfährt, wie groß der Unterschied ist zwischen seinem eigenen Glaubens -empfinden und der Selbstverständlichkeit, mit der die Kirche jedem, der sich fragt, ob es Gott gibt, den Mund stopft. Für ihn versteht sich das eben nicht mehr von selbst, und darin fühlt er sich nicht ernstgenommen; seine Fragen werden nicht beachtet oder umgangen. Außerhalb der Kirche sehe ich ihn als einen, der mit den Jahren der Kirche enttäuscht den Rücken gekehrt hat, jedoch nicht ungläubig geworden ist Er hat bloß die Antworten hinter sich gelassen, die Fragen aber mitgenommen. Vielleicht versteht er sich selbst als «Etwasist» , glaubt er doch, dass es «etwas» gibt, das er aber nicht Gott nennt, weil er inzwischen allergisch reagiert auf das, was in den Kirchen unter diesem Wort verstanden wird. Außerhalb der Kirche sehe ich ihn auch als einen, der sich auf dem Markt der Religionen und Sinngebungen herumtreibt und versucht, sich sein eigenes «Glaubens-Paket» zusammenzustellen. Er möchte offen sein für etwas, was die alltägliche Oberflächlichkeit übersteigt, er ist unbefangen und vorurteilslos gegenüber dem Wort «Gott», in der Überzeugung, dass mit diesem Wort jeweils das gemeint sei, was er gerade sucht. Und ich sehe ihn überall suchen außer in der Kirche, denn er weiß, dass er in einer Institution, die auf aktuelle Fragen mittelalterliche Antworten gibt, nichts finden wird. Ich fühle mich als Bundesgenosse des zweifelnden Lesers, der ringt mit überholten Gottesvorstellungen, der sich verabschieden möchte von dem, was die Kirchen von Gott behaupten, aber nicht von seinem Glauben. Ich stehe auf der Seite derer, die in Nebel gehüllt werden von Theologen, die so tun, als ob es Gott gäbe oder – schlimmer noch – die Frage, ob es Gott gibt, als überholt oder irrelevant betrachten. Ich fühle mich verwandt mit jenen Sinnsuchern, die davon ausgehen, dass es etwas gibt, das mehr ist als das, was wir mit unsern Augen wahrnehmen können, die aber um das Wort «Gott» einen Bogen machen, solange es nicht vom kirchlichen Ballast befreit ist. […]

NB) : Die regionale Kirchenleitung der südwestlichen niederländischen Provinz Zeeland nahm sich daher den Fall vor. Wochenlang debattierten die Kirchenoberen, die zur Protestantischen Kirche der Niederlande (PKN) gehören, den Fall Hendrikse. Nun kamen sie mit einem Urteil. Es ist genauso überraschend und paradox wie die Ansicht des Pfarrers, der nicht an Gott glaubt. Es lautet nämlich: Pfarrer Hendrikse darf Pfarrer bleiben. Er darf auch weiterhin von der Kanzel verkünden, dass es keinen Gott gibt. Er wird nicht aus der protestantischen Kirche ausgeschlossen.

 

PS  Eben habe ich mir das Buch nochmals durchgeschaut – vielleicht noch ein paar Zitate daraus hier in den Text? – Ich hätte fast 3/4 des Buches abschreiben können! (Und beim nun dritten Lesen gefiel es mir noch besser als bei den Malen zuvor)
Daher mein Rat: Wenn Sie diesen Beitrag bis hierher gelesen haben, sollten gerade Sie das Buch sofort selbst lesen! Es ist für Sie geschrieben!