Ausgesucht von wirklichen Fachleuten: 30 Literaturkritikerinnen und -kritiker nennen monatlich – in freier Auswahl – jeder vier Buch-Neuerscheinungen, denen sie „möglichst viele Leser und Leserinnen“ wünschen, und geben ihnen Punkte (15, 10, 6, 3). Die Addition ergab für den Februar folgendes Resultat (in Klammern die Position der Januar-Bestenliste)

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SWR-Bestenliste

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Hier folgen die Bücher vom Februar 2013:

Platz 1 (-) 66 Punkte

01

DIRK KURBJUWEIT: Angst
Roman. Rowohlt.Berlin Verlag, 256 Seiten, € 18,95*
Die Altbauwohnung ist ein Traum. Und als Architekt kann Randolph Tiefenthaler sie sich leisten. Doch im Souterrain haust in dürftigen Verhältnissen Herr Tiberius. Dessen Interesse an den besser gestellten Bürgern ist bedrohlich. Da entsinnt sich die gutsituierte Familie auf das lange verachtete Wissen der Väter: Not macht erfinderisch.

Platz 2 (-) 60 Punkte

02

IRINA LIEBMANN: Das Lied vom Hackeschen Markt
Drei politische Poeme
Hanani Verlag, 110 Seiten, € 12,80*
„In dieser Gegend hatte ich einmal gelebt, zwischen kaputten Fassaden und heruntergelassenen Rollläden und immer mit der Sehnsucht nach einem großen bürgerlichen Café. Dass dieser Traum sich erfüllt hatte, erschien fast wie ein Wunder.“ Sie ist Berlinerin, erst im Osten, dann im Westen, dann in ganz Berlin. Die Hackeschen Höfe – das ist mehr als nur ihr Stammcafé, das ist Deutschland in einer Nussschale.

Platz 3 (-) 52 Punkte

03

FERDINAND BENEKE: Die Tagebücher I
1792-1801
Wallstein Verlag, 5 Bände, 2802 Seiten, € 98,00**
Er war erfolgreicher Anwalt, Armenpfleger, passionierter Zeitungsleser, kannte fast jeden in Norddeutschland und führte leidenschaftlich Tagebuch. Ferdinand Beneke hat einen Schatz hinterlassen, der jetzt erst geborgen wurde: 7000 Seiten über den Alltag in den Gründerjahren des Bürgertums. „Es lebe alles, was Republikanisch gesinnt ist, weil das human ist! Es lebe Freiheit und Gleichheit!“

Platz 4 (1) 50 Punkte

04

PETER HANDKE / SIEGFRIED UNSELD: Der Briefwechsel
Suhrkamp Verlag, 798 Seiten, € 39,95*
„Sehr geehrter Herr Handke“, „Sehr geehrter Herr Doktor“, „Lieber Peter“, „Lieber Siegfried“ – Briefe aus 35 Jahren, ein nur sehr selten erschöpfter Verleger, ein nicht ganz einfacher Autor, Freunde, weil sie bei allen Spannungen eines teilen: den Dienst an der Literatur.

Platz 5.-6. (-) 47 Punkte

05

SAMUEL BECKETT:
Weitermachen ist mehr, als ich tun kann

Briefe 1929–1940
Aus dem Englischen und Französischen übersetzt von Chris Hirte.
Suhrkamp Verlag, 856 Seiten, € 39,95**
James Joyce, Peggy Guggenheim und Sahnepudding. Samuel Beckett galt als knausrig mit Worten, als Meister des literarischen Minimalismus. Aber als Briefeschreiber war er außerordentlich wortreich. 15.000 Briefe sind von ihm bekannt. Der jetzt erschienene erste Band erzählt von dem schwierigen Start des Nobelpreisträgers und seiner Zeit in Frankreich und Deutschland.

Platz 5.-6. (-) 47 Punkte

06

MICHAEL KÖHLMEIER: Die Abenteuer des Joel Spazierer
Roman. Carl Hanser Verlag, 653 Seiten, € 24,90**
Michael Köhlmeiers Reise in die Abgründe des 20. Jahrhunderts: Joel Spazierer wird in der Endphase der Stalin-Diktatur in Ungarn geboren, die Hälfte seiner Familie fällt der Paranoia einer „Ärzteverschwörung“ zum Opfer, er flieht nach Wien und beginnt eine Karriere als Hochstapler, Verbrecher und Verführer, „..weil ich die Lüge als Überschrift zu meiner Existenz wähle.“

Platz 7 (-) 43 Punkte

07

VLADIMIR JABOTINSKY: Die Fünf
Roman. Aus dem Russischen übersetzt von Ganna-Maria Braungardt.
Die Andere Bibliothek, 267 Seiten, € 36,00**
Vladimir Jabotinskys Liebeserklärung an seine Heimat, das multikulturelle Odessa vor der russischen Revolution, erschien 1935: „Es war eine komische Stadt; aber auch Lachen ist Zärtlichkeit. Doch jenes Odessa gibt es vermutlich längst nicht mehr, und ich brauche nicht zu bedauern, dass ich nicht mehr dorthin gelangen werde.“ Doch da war der Journalist und Gelehrte längst Wortführer der radikal rechten Zionisten geworden.

Platz 8 (-) 34 Punkte

08

JONATHAN FRANZEN: Weiter weg
Essays. Aus dem Englischen übersetzt von Bettina Abarbanell,
Wieland Freund, Dirk van Gunsteren und Eike Schönfeld.
Rowohlt Verlag, 240 Seiten, € 19,95**
Jonathan Franzen schreibt über das Fangen von Singvögeln, über den Unterschied zwischen Facebooks „Like“-Button und der Aussage „Ich liebe dich“. Er schreibt über Hornissen, über David Foster Wallace und über autobiographische Literatur. 21 alltagstaugliche, erhellende, freundliche Einblicke in die verwirrende Welt, in der wir leben.

Platz 9.-10. (-) 30 Punkte

09

RALPH DOHRMANN: Kronhardt
Roman. Ullstein Verlag, 928 Seiten, € 24,99**
Wissen ist Macht, ist der Stiefvater überzeugt. Und als sein Stiefsohn Willem
sich hinter den Büchern vergräbt, glaubt er fest an dessen Machtinstinkt. Dohrmanns Held aber, wir ahnen es, tendiert zum Müßiggang, und nicht zur Kronhardt‘schen Maschinenstickerei. Ralph Dohrmann pflegt in seinem Debüt ein fast ausgestorbenes Genre: den großen Bildungsroman. Willem will’s wissen.

Platz 9.-10. (-) 30 Punkte

010

JEANETTE WINTERSON: Warum glücklich statt einfach nur normal?
Aus dem Englischen übersetzt von Monika Schmalz.
Hanser Berlin Verlag, 256 Seiten, € 18,90*
So gruselig kann Kindheit sein. Jeanette Winterson sollte Missionarin werden, hatte ihre frömmelnde Adoptivmutter beschlossen. Aber sie begann zu lesen und wurde lesbisch. Buchverbrennungen, Teufelsaustreibungen – die Eltern fahren das volle Programm. „Ich wollte nicht in ihrer Nähe sein. Mein Vater war unglücklich. Meine Mutter war durcheinander. Wir waren wie Flüchtlinge in unserem eigenen Leben.“

Persönliche Empfehlung

011

im Februar von Wolfgang Werth (München):
WASSILI GOLOWANOW: Die Insel
oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens

Roman. Aus dem Russischen übersetzt von Eveline Passet.
Matthes & Seitz Berlin, 523 Seiten, € 29,90
„Von einem, der fürchtete, das eigene Leben zu verfehlen und der darum auszog, seine Insel zu suchen und zu erkunden: Drei Expeditionen durch den „wilden Raum“ von Kolgujew in der östlichen Barentssee erbrachten dem Moskauer Autor und weit herumgekommenen Journalisten Wassili Golowanow den Stoff für sein überaus vielschichtiges, anschauliches und gedankenreiches Buch in fünf Büchern, das es nicht nötig hat, auf dem Schutzumschlag als „Roman“ ausgegeben zu werden.“
(Wolfgang Werth)