Diesmal alles Romane! Der Hanser Verlag ganz groß dabei – aber auch Suhrkamp, DuMont, Wallstein, Hoffmann & Campe

Ein 1.000-Seiten-Epos an der Spitze

William T. Vollmanns Tausend-Seiten-Roman „Europe Central“ (Suhrkamp; 2013), in dem der Autor Drittes Reich und Stalinismus thematisiert, ist im Mai von den Literaturkritikern der SWR-Bestenliste auf den ersten Platz gewählt worden.

Vollmann schildert in seinem Roman − der vor acht Jahren in den USA erschien − auf über 1.000 Seiten den Zweiten Weltkrieg wechselweise aus deutscher und sowjetischer Sicht. Seine Protagonisten sind etwa Künstler wie Käthe Kollwitz und Dimitri Schostakowitsch oder Militärs wie Friedrich Paulus und Andrej Wlassow. Der Komponist Schostakowitsch ist dabei eine immer wieder auftauchende Hauptfigur. In der USA wurde Vollmann für „Europe Central“ 2005 mit dem National Book Award ausgezeichnet. „Von Künstlerschicksalen in grausamen Zeiten, von Hitler, Stalin und Schostakowitsch“, so die SWR-Bestenliste. „Ein ‚Krieg und Frieden‘ des 20. Jahrhunderts.“

Weitere Neueinsteiger in der SWR-Bestenliste im Mai sind: Judith Kuckart mit „Wünsche“ (Platz 2; DuMont Buchverlag), Ralph Dutli mit „Soutines letzte Fahrt“ (Platz 4; Wallstein), Ulrike Edschmid mit „Das Verschwinden des Philip S.“ (Platz 5; Suhrkamp), Péter Esterházy mit „Esti“ (Platz 7; Hanser Berlin), Aris Fioretos mit „Die halbe Sonne“ (Platz 9; Hanser) und Adam Johnson mit „Das geraubte Leben des Waisen Jun Do“ (Platz 10; Suhrkamp)

31 Literaturkritikerinnen und -kritiker nennen monatlich – in freier Auswahl – vier Buch-Neuerscheinungen, denen sie „möglichst viele Leser und Leserinnen“ wünschen, und geben ihnen Punkte (15, 10, 6, 3). Die Addition ergab für den Mai folgendes Resultat (in Klammern die Position der April-Bestenliste):

Platz 1 (-) 161 Punkte

01

WILLIAM T. VOLLMANN: Europe Central
Roman. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Robin Detje.
Suhrkamp Verlag, 1028 Seiten, € 39,95***
Von Künstlerschicksalen in grausamen Zeiten, von Hitler, Stalin und Schostakowitsch. „Das Buch erzählt vom Kampf um Vorherrschaft, vom Kampf, Europa unter der einen oder der anderen Ideologie zu zentralisieren“, so der Autor. Ein „Krieg und Frieden“ des 20. Jahrhunderts.

Platz 2 (-) 67 Punkte

02

JUDITH KUCKART: Wünsche
Roman. DuMont Buchverlag, 300 Seiten, € 19,99*
„Er sei ein Schwein, sagen sogar die, die behaupten, sie seien seine Freunde. Ja, er ist ein Schwein, aber ein kluges, freundliches, sanftes und manchmal auch verständiges Schwein, das mal ausgezeichnet Saxofon gespielt hat, als es noch ein junges Schwein war.“ Als Vera das erkennt, ist sie bereit für einen Neuanfang.

Platz 3 (6) 43 Punkte

03

REINHARD JIRGL: Nichts von euch auf Erden
Roman. Carl Hanser Verlag, 512 Seiten, € 27,90***
Die Welt im 25. Jahrhundert, Menschen auf dem Mars, pazifistische Mutanten auf der Erde. Büchner-Preisträger Reinhard Jirgl wagt das ganz große Panorama, „eine Vermischung von Hochkultur und Fantasy-Momenten, wie sie im Moment kein anderer so anspielungsreich konzipieren kann. Dieser Autor ist im gegenwärtigen Literaturbetrieb eine einsame Größe.“ (Helmut Böttiger)

Platz 4-6 (-) 30 Punkte

04

RALPH DUTLI: Soutines letzte Fahrt
Roman. Wallstein Verlag, 272 Seiten, € 19,90**
„Ein mitreißender Roman über den in Weißrussland geborenen Maler Chaim Soutine. Ralph Dutlis Roman erzählt über die absolute Verknüpfung von Leben und Werk dieses expressionistischen Sonderlings. Er hat sich die letzte Fahrt des todkranken Malers im Leichenwagen durch das von den Deutschen besetzte Frankreich als Schauplatz ausgesucht. … Ralph Dutli öffnet die Augen für ein unbedingtes Künstlerleben.“ (Verena Auffermann)

Platz 4-6 (-) 30 Punkte

05

ULRIKE EDSCHMID: Das Verschwinden des Philip S.
Roman. Suhrkamp Verlag, 157 Seiten, € 15,95*
Sie lernen sich an der Filmhochschule in Berlin kennen und starten in ein gemeinsames Leben mit Kind und Kinderladen. Die Zeiten werden Ende der 60er Jahre immer politischer. Philip S. beginnt ein neues Leben in der „Bewegung 2. Juni“. Bis die tödlichen Schüsse fallen.

Platz 4-6 (7-8) 30 Punkte

06

BOTHO STRAUSS: Die Fabeln von der Begegnung
Carl Hanser Verlag, 248 Seiten, € 19,90**
„Nichts fasziniert Botho Strauß mehr als das Mysterium der Liebe. Die Liebe als Illusionsmaschine, als Täuschungs- und Verletzungsmaschine. Er sucht gewissermaßen nach dem Übelsten und Niederträchtigsten der Liebe. Was er der Gegenwart vorwirft, ist eher, dass sie das Harte und Extreme gar nicht mehr wagt und deswegen die Liebe in ihrer Radikalität verfehlt.“ (Ijoma Mangold in „Literatur im Foyer“)

Platz 7 (-) 27 Punkte

07

PÉTER ESTERHÁZY: Esti
Roman. Aus dem Ungarischen übersetzt von Heike Flemming.
Hanser Berlin Verlag, 368 Seiten, € 24,90**
„Jahrelang wusste Kornel Esti, man soll den Brunnen zudecken, nachdem das Kind hineingefallen ist. Er lebte nach dieser Devise. Illusionslosigkeit, Traurigkeit, die Schönheit der Verzweiflung, Ironie.“

Platz 8 (-) 21 Punkte

08

EBERHARD RATHGEB: Kein Paar wie wir
Roman. Carl Hanser Verlag, 192 Seiten, € 17,90**
Die Schwestern Ruth und Vika brauchen keinen Mann. Anfang der 50er verlassen sie Buenos Aires und ziehen nach New York: „Dass wir zusammenblieben, ergab sich von selbst, als hätten wir uns nicht anders entscheiden können. Für uns war das selbstverständlich. Eine Naturgegebenheit.“ Der Roman eines gemeinsamen Lebens.

Platz 9 (-) 19 Punkte

09

ARIS FIORETOS: Die halbe Sonne
Ein Buch über einen Vater
Aus dem Schwedischen übersetzt von Paul Berf.
Carl Hanser Verlag, 192 Seiten, € 18,90*
Ein Lebenslauf: „Paarspringer, Freiheitskämpfer, Ärmster, Gymnasiast, Bluthustender, Flüchtling, Untermieter, griechisches Schwein etc., Liebling, Zugreisender, Dichter, Aushilfsprovinzialarzt, Vater, Bauherr, Flottillenadmiral, Kredithai-Geldempfänger, Schwedenbesucher, Unfall, Bett 4, Zimmer 5, der Gesterbte – “

Platz 10 (-) 18 Punkte

010

ADAM JOHNSON: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
Roman. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Anke Caroline Burger.
Suhrkamp Verlag, 687 Seiten, € 22,95**
Parzival im Reich des Bösen. Adam Johnson wagt, was sich wenige zutrauen würden: Er schreibt einen Roman über einen Jungen in Nordkorea, es liest sich wie „1984“ oder „Schöne neue Welt“ und hat dem Autor jetzt den Pulitzer-Preis eingetragen.

Persönliche Empfehlung

011

im Mai von Helmut Böttiger (Berlin):
JAMIL AHMAD: Der Weg des Falken

Aus dem Englischen übersetzt von Ditte Bandini und Giovanni Bandini.
Verlag Hoffmann und Campe, 192 Seiten, € 19,99
„Ein Roman, 1973 geschrieben, doch erst jetzt veröffentlicht: In der afghanisch-pakistanischen Grenzregion leben Nomaden, deren Stammesgebiete durch die willkürliche Grenzziehung zerstört werden. Ein Schlaglicht in die Zeit vor den Taliban, das eindrucksvoll erhellt, wie es zur heutigen Situation kommen konnte. Aber der heute 82-jährige Autor beschönigt auch das archaische Leben nicht. Eindrucksvoll, wie die klare, einfache Sprache des Romans nach allen Seiten die Distanz wahrt.“ (Helmut Böttiger)