Zum 100. Todestag August Strindbergs. – Sein schon damals durchschlagender erster Romanerfolg in neuer Übersetzung�

 

Das rote Zimmer«Der ungeheure Strindberg. Diese Wut, diese im Faustkampf erworbenen Seiten», rühmte Franz Kafka die satirische Schlagkraft des schwedischen Klassikers. Mit beißendem Humor zeichnet dieser im «Roten Zimmer» ein Panoptikum amüsanter Karikaturen und entlarvt Besitzgier, Geltungssucht und Opportunismus einer durch und durch verlogenen Gesellschaft.

Stockholm, um 1870: Eine solche Wut kann nur ein junger Autor haben! Er erzählt von Arvid Falk, der wohl stark autobiographisch ist:  ein gutgläubiger junger Mann, beendet sein als nutzlos empfundenes Beamtendasein. Als Journalist und Schriftsteller will er fortan Wahrheit und Fortschritt dienen.

Doch wohin der Sinnsuchende sich auch wendet, er trifft auf Machtdünkel und Manipulation: Ein Verleger erkauft sich seine Erfolge bei den Kritikern, bigotte Bürgersfrauen verlangen wohlgefällige Almosenempfänger, Zeitungen, egal welcher Couleur, sind den Mächtigen hörig.

Auf Gleichgesinnte trifft Arvid in einem Künstlerkreis, der im „Roten Zimmer” eines berühmten Restaurants zusammenkommt. Aber hier unterliegen die hehren Absichten nur allzu oft den knurrenden Mägen.
August Strindberg schildert die Desillusionierung eines Idealisten. Seine scharfe Beobachtungsgabe, die ironische Zuspitzung weisen weit über die Epoche hinaus.

Der Mensch als „verlogenes Gesellschaftstier“ – mit satirischem Furor führt Strindberg zahlreiche Maskierungen des Egoismus vor: intrigante Geschäftsmänner, die vom Allgemeinwohl schwadronieren, salbungsvolle Wohltätigkeitsvereinsdamen, Pastoren und Heilsverkünder, rundum bestechliche Politiker und Beamte, gewissenlose Gefälligkeitsjournalisten, eine vor allem an ihren Pfründen interessierte Kunst- und Theaterszene.

Besonders amüsant wird es, wenn die Geschäftsmodelle von Versicherungsgesellschaften oder Verlagen seziert werden. Ein absoluter Höhepunkt aber ist  der Vortrag „Über Schweden“, den der Amateurphilosoph Olle Montanus vor empörtem Publikum hält: ein Abgesang auf die damalige Nation und den Nationalismus, der damals gerade zum europäischen Hauptübel wurde.

Aber noch etwas ist faszinierend: Man könnte alle Wege und Gänge, Gebäude und Gegenden exakt in einem damaligen Stadtplan nachvollziehen.

Da haben Sie mal ein gelungenes Debut – inzwischen gehört der damalige Debutant zu den Klassikern; lassen Sie sich aber keinesfalls deswegen von der Lektüre abhalten – Sie werden ein grandioses Lesevergnügen haben! Versprochen. Sie können es sich bestellen, indem Sie oben auf Kohlibri klicken (mit ‘h’)

2012   Manesse ISBN 3-7175-2238-8   € 2495

Daher hier einige Originalschauplätze aus „Das Rote Zimmer“

Folgen Sie August Strindberg auf einem kleinen Rundgang durch Stockholm: Übersetzerin Renate Bleibtreu, die den Text übrigens grandios ins Deutsche übertragen hat, besuchte Berns Salong, das Rote Zimmer und weitere Schauplätze aus Strindbergs großem Erfolgsroman. Ihre Eindrücke hat sie fotografisch festgehalten und werden hier begleitet von Zitaten aus „Das Rote Zimmer“.

«Der Flachskrämer Carl Nicolaus Falk, Sohn des verstorbenen Flachskrämers Herrn Carl Johan Falk – einer von fünfzig Ältesten in der Bürgerschaft, Infanteriehauptmann der Bürgergarde, Kirchengemeinderat, Leitender Direktor der Stockholmer Städtischen Brandversicherung – und Bruder des früheren außeretatmäßigen Notars und jetzigen Literaten Arvid Falk, hatte das Geschäft oder, wie Gegner gerne sagten, seinen Laden, Österlanggatan

Österlanggatan, der Laden von Carl Nicolaus Falk

… so schräg gegenüber von Ferkens Gränd, dass der Kommis beim Aufblicken aus seiner unter den Verkaufstisch gemogelten Romanlektüre denTeil eines Dampfers sehen konnte, Radgehäuse, Klüverbaum oder so, einen Baumwipfel auf Skeppsholmen und oben drüber ein Stück Luft.»

Durchgang zu Färkens Gränd

«Berns Salong spielte zur damaligen Zeit erst seit Kurzem seine kulturhistorische Rolle im Leben der Stadt Stockholm, indem dieses Lokal Schluss machte mit der ungesunden Café-Chantant-Manier, die in den sechziger Jahren eine Zeit lang floriert, ja vielmehr grassiert und sich übers ganze Land verbreitet hatte. Hierher kamen ab sieben Uhr abends junge Leute in Scharen, die sich in jenem abnormen Zustand befanden, der einsetzt, wenn man das Elternhaus verlässt, und anhält, bis man ein Zuhause hat.»

Berns Salong

«Berns Salong war der Junggesellenclub der ganzen Stadt. Jede Clique suchte sich hier eine Ecke, die Lill-Janser hatten das hintere Schachzimmer vor der Südgalerie annektiert, …

Berns Salong

… das in Anbetracht seines roten Mobliliars und der Kürze halber bald nur das Rote Zimmer hieß.»

Das Rote Zimmer

«Hier traf man sich bestimmt, war man tagsüber auch verstreut gewesen wie die Spreu im Wind; von hier aus wurden ringsum im Salon förmlich Razzien unternommen, wenn die Not groß war und es Geld aufzutreiben galt; Ketten wurden gebildet; zwei Mann tiraillierten die Galerien und zwei übernahmen die Längsseiten des Saals; es war wie beim Fischzug, selten zog man fehl, denn im Lauf des Abends strömten ja ständig neue Gäste herbei. Heute kam solch eine Arbeit aber nicht infrage und so setzte sich Sellén in aller Ruhe stolz neben Falk aufs rote Sofa.»

Das Rote Zimmer

(c) der Fotos: Renate Bleibtreu

 

Johan August Strindberg (Aussprache: [ˌoːgɵst ˈstrindbærʝ], * 22. Januar 1849 in Stockholm; † 14. Mai 1912 ebenda) war ein schwedischer Schriftsteller und Künstler. Er gilt als einer der wichtigsten schwedischen Autoren, besonders seine Dramatik ist weltbekannt. Von den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts bis zu seinem Tod dominierte er das literarische Schweden, war ständig umstritten und oft in persönliche Konflikte verwickelt. Zu seinem umfangreichen literarischen Werk gehören Romane, Novellen und Dramen, die zu den Klassikern schwedischer Literatur zählen.