26 Literaturkritiker und –kritikerinnen nennen Monat für Monat, in völlig freier Auswahl jeweils vier Buch-Novitäten und bewerten jedes nach Punkten: 15,10,6,3 . Und das ist das Ergebnis für September 2015, wobei eine eventuelle vorherige Platzierung in Klammern aufgeführt ist :

1.(-) ULRICH PELTZER: Das bessere LebenRoman. S. Fischer Verlag, 448 Seiten, € 22,99*** 133

Punkte

„Ulrich Peltzer ist im arbeitsteiligen Betrieb der deutschen Gegenwartsliteratur der Fachmann für politisch informierte Zeitdiagnose. Sein neuer Roman ‚Das bessere Leben‘ nimmt sich nun das globalisierte Wirtschaftsleben aus westlicher Sicht vor.“ (Gustav Seibt)
2. RALF ROTHMANN: Im Frühling sterben 60
(3.) Roman. Suhrkamp Verlag, 234 Seiten, € 19,95** Punkte
„Man liest Ralf Rothmanns neuen Roman über eine Freundschaft, die vom Bösen überrollt wird, unter Hochspannung und voller Bewunderung für die Nähe zu den Protagonisten. ‚Im Frühling sterben‘ ist fraglos eine der wichtigen, aufregenden Neuerscheinungen der Saison und zugleich eine moralische Herausforderung. Mit Fug und Recht kann man sagen: Mit ‚Im Frühling sterben‘ ist die Nach-Grass-Ära kraftvoll eingeläutet worden, gerade weil der Vatermord, symbolisch gesprochen, nicht stattfindet.“ (Ina Hartwig)
3. LILY KING: Euphoria 51
(-) Roman. Aus dem Englischen von Sabine Roth.C.H. Beck Verlag, 262 Seiten, € 19,95** Punkte
Eine Reise in eine der abgelegensten Regionen der Erde, an den Fluss Sepik nach Papua-Neuguinea. Drei Forscher im Siedlungsgebiet fast unbekannter Völker – und eine Dreiecksgeschichte, eine Reise zu den Grenzen dessen, was Menschen von Menschen verstehen können. Es gibt Themen, die kann nur ein Roman wiedergeben.
4.-6. ANGELA STEIDELE: Rosenstengel 25
(-) Ein Manuskript aus dem Umfeld Ludwig II.Verlag Matthes & Seitz Berlin, 400 Seiten, € 24,90 ** Punkte
Catharina Margaretha Linck alias Anastasius Rosenstengel lebt als Mann verkleidet mit einer Frau zusammen. Als ihr falsches Spiel auffliegt, wird sensationsträchtig eine lederne Penisattrappe im Gerichtssaal präsentiert – 1721 wird Catharina Linck deshalb hingerichtet. Dieser Skandal wäre wohl auch heute einer. Und so ist das Buch Teil der Diskussion darüber, ob die Begriffe „Mann“ und „Frau“ wirklich jedem Menschen eindeutig zugeordnet werden können.
ALAIN CLAUDE SULZER: Postskriptum 25
(-) Roman. Verlag Galiani Berlin, 256 Seiten, € 19,99 ** Punkte
Nietzsche war hier und Theodor W. Adorno, Hesse und Thomas Mann, Otto Klemperer und David Bowie. Sils-Maria ist ein Mythos – auch für Alain Claude Sulzer. Er erzählt in seinem neuen Roman von einem Schauspielstar, der von den Nazis aus Europa vertrieben wird. Die Nazis nehmen ihm die Karriere, das Vermögen und den Geliebten.
FRANK WITZEL:
Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen
manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969
25
(4.) Roman. Verlag Matthes & Seitz Berlin, 817 Seiten, € 29,90** Punkte
Kann man in Wiesbaden-Biebrich die RAF gründen? Und eignet sich der Spielzeugladen von Frau Maurer wirklich als Ziel im bewaffneten Kampf? Frank Witzel beschreibt auf gut 800 Seiten die Pop-Sozialisation der frühen 70er Jahre. „Hier werden sämtliche Bewusstseinsfasern der Siebzigerjahre unter die Lupe genommen, zerlegt und neu zusammengesetzt. … Dies ist keine Saisonware. Dies ist ein Roman mit Langzeitwirkung.“ (Helmut Böttiger)
7.- 8. JEAN PRÉVOST: Das Salz in der Wunde 21
(-) Roman. Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky.Manesse Verlag, 288 Seiten, € 24,95* Punkte
„Die Menschenkenntnis dieses Autors, die psychologische Gestaltung seines durch und durch ambivalenten Helden, der sich selbst nicht respektiert, und, vor allem, die bedrückende, dann in unerwartetes Glück umschlagende Liebesgeschichte zwischen Crouzon und Anne-Marie; ein seltsames Glück vor dem Hintergrund der niederdrückenden Geistlosigkeit der Provinz, das hat schon was.“ (Ina Hartwig)
ALBRECHT SCHÖNE: Der Briefschreiber Goethe 21
(-) C.H. Beck Verlag, 539 Seiten, € 29,95*** Punkte
„Briefe gehören unter die wichtigsten Denkmäler, die der einzelne Mensch hinterlassen kann“, meinte Goethe. 20.000 dieser selbst errichteten Denkmäler Goethes sind überliefert. Der Literaturwissenschaftler Albrecht Schöne deutet einige von ihnen und setzt damit Goethe, seiner Zeit und der langsam aussterbenden Kulturtechnik des Briefeschreibens gleichsam ein neues Denkmal.
9. HARPER LEE: Gehe hin, stelle einen Wächter 18
(-) Roman. Aus dem Englischen von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel.Deutsche Verlags-Anstalt, 318 Seiten, € 19,99* Punkte
„Auf den ersten Blick haben ‚Wer die Nachtigall stört‘ und ‚Gehe hin, stelle einen Wächter‘ viel gemeinsam: den Schauplatz des Städtchens Maycomb in Alabama, weite Teile des Personals und die kraftvoll anschauliche, mit warmem Witz wie von Sonne durchglühte Sprache Harper Lees. Und doch sind die beiden Bücher so verschieden wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde.“ (Felicitas von Lovenberg)
10. JAN KONEFFKE: Ein Sonntagskind 16
(-) Roman. Verlag Galiani Berlin, 592 Seiten, € 24,99** Punkte
Mit dem Taugenichts-Roman „Die sieben Leben des Felix Kannmacher“ hatte Jan Koneffke einen großen Erfolg – jetzt kommt die Geschichte des Neffen: Konrad Alfred, ein Sonntagskind. Glück kann man in den Gefechten des Zweiten Weltkriegs wirklich gut gebrauchen.

 

*** (vermutlich) schwierigere Lektüre
** (vermutlich) mittelschwere Lektüre
* (vermutlich) leichtere Lektüre