Man stolpert sofort darüber:
Ein Gartenbuch bei Hanser?

Von Glück, im Freien zu sein:
„Die Tage des Gärtners“

Und auch noch von Jakob Augstein, Journalist, Herausgeber der linken Wochenzeitschrift Der Freitag und Adoptivsohn Rudolf Augsteins (und Sohn Martin Walsers).

Also: Sofort lesen! Natürlich ist es schon mal ein wunderschön gestaltetes Buch (illustriert von Nils Hoff) – ach, und schon hat man sich festgelesen. Ist das amüsant – der kommt ja nicht nur vom Hundertsten ins Tausendste – sondern noch darüber hinaus. Das ist kein Gärtner wider Willen, sondern einer mit! Der sich auch noch darüber wundern kann, zu wie vielen Nebengeleisen und Nebengedanken so ein Garten führen kann – auch wenn ein Zaun natürlich drumrum sein muss.  „Im Garten kommen wir dem Ziel am nächsten: Herrschaft, Kontrolle, Ordnung.“

Dazu hat er sich gründlich vorbereitet, wie sich das für einen eher ‘geistigen Menschen’ gehört,  der überhaupt bei allen eher praktischen Angelegenheit erstmal Informationen sammelt. So jemand braucht auch nicht nur ein Buch über Garten allgemein und kriegt vielleicht noch eines zu Weihnachten, holt sich noch eines aus der Stadtbücherei …

Nein, so einer schreckt nicht vor Standardwerken zurück, denn „Der größte Teil der Gartenarbeit findet in Ihrem Inneren statt.“ Garten ist obendrein noch mit Arbeit, Pünktlichkeit, Zucht und Ordnung verbunden. Über kurz oder lang hat der Garten herausgefunden, wo man gepfuscht, geschlampt der getrödelt hat, und zeigt es einem. Mit aller Ruhe, aber deutlich. Wir wandern mit Jakob Augstein durch Herbst, Winter, Frühling, Sommer .. :
Dieses Buch handelt von meinem Garten und allem, was darin ist. Nicht mehr und nicht weniger. Mein Garten liegt hinter dem Haus, nach Südwesten hin. Er ist nicht sehr groß. Als der Hund unser Kaninchen gejagt hat, waren es nur ein paar Sprünge bis zum Gestrüpp am Maschendrahtzaun. Dahinter liegen andere Gärten. Das Kaninchen ist nie zurückgekommen und wir haben auch nie mehr irgendwelche Spuren von ihm gefunden, oder Überreste. …”

Ach ja, lassen wir ihn selbst noch ein bisschen reden, wenn er so in seinem Garten bemerkt, dass es hier ein von der Welt herum abweichendes Weltbild gibt. Aber im Gegensatz zum ‘Weltbild’ eines, das irgendwie begründet und gültig zu sein scheint – :
Im Ernst. Das ist eine interessante Beobachtung. Alles hat seinen Platz, auch wenn es ihn gegenwärtig nicht einnimmt. Es gibt so etwas wie eine Gartenzeit, in der die Unterschiede zwischen Gegenwart und Vergangenheit nicht so wichtig sind. Die Bilder überlagern sich und die Zustände, die Jahreszeiten, die Lebenszeiten, die Bewegungen und die Stillstände. Das hängt mit dem Raum zusammen, dem Gartenraum, der voller Erinnerungen ist, der begrenzt ist, und darum erfahrbar. Der Garten ist ein Ort der Langsamkeit. Die Überschaubarkeit im Raum bringt mit sich eine Überschaubarkeit in der Zeit. »Nach 2000 Jahren Pflege wird mein Rasen recht annehmbar sein, denke ich«, sagt der Brite, der bei Asterix und Obelix mit einer fingergroßen Sichel den letzten Halm Unkraut aus seiner makellosen  Grünfläche entfernt. Im Garten sind tausend Jahre wie ein Tag, wenigstens im übertragenen Sinne. Es fallen Vergangenheit und Zukunft in einer andauernden Gegenwart zusammen. Das erlebt man nicht oft.”

Auch  er wird das lernen,  dass tausend Jahre auch nicht ausreichen könnten, einen vollendeten Rasen zu bekommen oder das Unkraut zu besiegen.

Aber auch, wenn es kein ‘richtiges’ Gartenbuch ist, sind doch alle möglichen nutzvollen Tipps darin, wo man bestimmte Utensilien, z.B. Blumenzwiebeln etc., am besten bekommt. Das sind Hinweise, die auch einem praktischen wirken, eher aber intellektuellerem Lerser sehr nützlich sind. Aber der freut sich ebenso sehr darüber, wenn der Autor vom rein Praktischen immer wieder ins Schwadronieren abdriftet:
“Es dauert 19 S ekunden, diesen Garten in der Länge und 12 S ekunden ihn in der Breite abzuschreiten. Das ist, wie gesagt, nicht sehr groß. Aber was heißt schon groß und klein? Nehmen wir die Erde. Die Erde misst ungefähr 510 Millionen Quadratkilometer. Der Garten dagegen nicht mehr als 1400 Quadratmeter. Das bedeutet, der Garten ist 364 285 714 285 714 29-mal kleiner als die Erde. Aber er hat, im Gegensatz zur Erde, den großen Vorteil der  Überschaubarkeit.”

 

Für wen das Buch weniger geeignet ist: Das sind die puren Nutzgärtner, für die es spezielle Anleitungen gibt, wie man aus eigener oder gemieteter Scholle alles für das Überleben im Katastrophenfall selber  ziehen und ernten kann.

Für alle anderen ist der ‘Nutzwert’ dieses Buch sehr hoch. Ich habe meines stets greifbar auf dem Bücherbord neben meinem Bett – ach, so oft habe ich es wieder herausgeholt, um noch ein bissel hier und da in Gedanken mitzuschwadroníeren oder mir endlich die Adresse dieses oder jenes garantierten Lieferanten herauszuschreiben, um ihn, endlich, gleich morgen, anzurufen.

Natürlich muss ich Ihnen auch all das gleich mitteilen, damit Ihnen nicht etwas entgeht. Die Welt der Bücher ist ja so rasend schnell, fast wie Sand in der Wüste und die nächste Welle überdeckt alles, was eben noch da war.

 

Jakob Augstein, Die Tages des Gärtners
265 S. m. Illustr. 21,5 cm 522g , in deutscher Sprache. �
2012   Hanser ISBN 3-446-23875-1 ISBN 978-3-446-23875-6