Ein fesselnder Wissenschafts- und Abenteuerroman über den letzten großen Helden der Polarforschung, den Polarforscher Alfred Wegener
„Dies ist ein Roman, er weicht in vielem vom Leben des wirklichen Alfred Wegener ab. Wegener selbst hätte an einigen Stellen wohl verwundert den Kopf geschüttelt – er hegte ohnehin Zweifel an Romanen“ – heißt es im Nachwort.
Professor Dr. Alfred Lothar Wegener wurde am 1. November 1880 in Berlin geboren und starb im November 1930 in Grönland). Er war ein deutscher Meteorologe, Polar- und Geowissenschaftler.
Für seinen – heute wohl wichtigsten – Beitrag zur Wissenschaft erlebte er die Anerkennung nicht mehr. Es sollten Jahrzehnte vergehen, bis man erkannte, dass er recht hatte. Es ist seine Theorie der Kontinentalverschiebung, die zu einer wesentlichen Grundlage für das heutige Modell der Plattentektonik geworden ist. Bis damals war man der Überzeugung, dass die einzelnen Erdteile durch später versunkene Landbrücken verbunden gewesen sein müssen, auf die die Ähnlichkeiten zwischen den Erdteilen zurückzuführen seien. Wegener war der Ansicht, dass es einst einen Urkontinent gegeben haben müsse – der sich dann teilte.
Zu seinen Lebzeiten war Wegener vor allem für seine Verdienste in der Meteorologie und als Pionier der Polarforschung bekannt. Alfred Wegener verschrieb sein Leben der Forschung, war voll der Faszination für Abwegiges, genauer: nur scheinbar Unwesentliches, aber auch ein Zweifler mit einer großen Sehnsucht nach Einsamkeit. Jedoch alles, was er näher ergründete, mündete schließlich in seine Forschungsarbeit.
Es ist ein Leben wie ein Abenteuerroman – den Jo Lendle jetzt erzählt. Wenn Sie das Buch lesen, sollte Ihnen klar werden, dass Jo Lendle das Buch nicht mal-soeben zwischen Mittag- und Abendessen schrieb. Dahinter stecken dreizehn Jahre immer wieder neu erwachter Faszination für dieses Thema: Was war das für ein Mensch, der in seinen Überlegungen seiner Zeit weit voraus war? Der – zumindest bei seinem wichtigsten Gedankengang – von seinen Fach-Kollegen in der Wissenschaft damals absolut nicht auf Verständnis und Anerkennung stieß. Wie war der Mensch, wie der Wissenschaftler?
Alfred Wegener ist als Sohn und letztes von fünf Kindern des Berliner Pastors Richard Wegener (Theologe und Lehrer für Alte Sprachen am Gymnasium zum Grauen Kloster) in Berlin geboren. Die Liebe zur Natur wurde in den Kindern wohl geweckt, als man 1886 das Gutshaus der alten Glashütte in Zechlinerhütte bei Rheinsberg als Feriendomizil erwarb und später als Wohnsitz der Familie nutzte. Seine Schulzeit schloss er als Klassenbester ab, um danach von 1900 bis 1904 Physik, Meteorologie und Astronomie in Berlin, Heidelberg und Innsbruck zu studieren. 1905 wurde Wegener Assistent am Aeronautischen Observatorium Lindenberg bei Beeskow. Er arbeitete dort mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Kurt zusammen, der ebenfalls Naturwissenschaftler war, und mit dem er das Interesse für Meteorologie und Polarforschung teilte. Bei einem Ballonaufstieg, der meteorologischen Beobachtungen und der Erprobung der astronomischen Ortsbestimmung mit dem Libellenquadranten diente, stellten die Wegener-Brüder vom 5. bis 7. April 1906 mit 52,5 Stunden einen neuen Dauerrekord für Ballonfahrer auf.
Und damit sind wir mittendrin in der Geschichte, die Jo Lendle hier erzählt – und man hört ihm nur zu gern zu, wenn er das Lebensbild von Alfred Wegener von Kindheit an bis hin zu seiner letzten Grönlandfahrt vor uns ausbreitet. Jo Lendle tut dies auf seine ihm eigene, für ihn typische behutsame Weise. Und mit seiner bildmächtigen Sprache, dass man sich immer wieder fragt, ob der Verfasser vielleicht selbst dabei gewesen sei. Er beschreibt das sich allmählich entwickelnde Lebensbild eines Menschen, der, von unglaublichem Wissensdrang getrieben, einer inneren Logik folgt und niemals aufhörend lernt, was bis zum seiner Zeit gedacht und geforscht worden ist, dann aber nicht umhin kann, seinen Zweifeln zu folgen.
Aber wir lernen auch Alfred Wegener als Mensch kennen – von Kindheit an. Wie war das soziale Umfeld und wie kommt er als Sohn eines Pastors, zunächst durchaus ‚linientreu‘ erzogen, wie viele Naturwissenschaftler dazu, an dem herkömmlichen Gottesbild, dem Gott als Allmächtigen zu zweifeln und nach einem naturwissenschaftlich erklärbaren Gang der Schöpfung zu suchen?
So kommt Affred Wegener dazu, zunächst bestimmte Naturgesetze zu erlesen und zu erforschen, aber auch dazu, sie zu berechnen und an praktischen Versuchen zu ergründen. Dazu gehören auch die berühmten Forschungsfahrten ins grönländische Eis, von deren letzter Wegener nicht mehr zurückkehren sollte; er wurde nur fünfzig Jahre alt.
Der besondere Reiz dieses Buches ist, dass uns hier Wegener in vielen Facetten begegnen wird. Zunächst als Mensch, der obendrein das Glück hat, eine Frau zu finden, die alles, was er unternahm, voll unterstützte, und die nach seinem Tod Herausgeberin des Buches : ‚Alfred Wegeners letzte Grönlandfahrt‘ wurde, das 1940 bei Brockhaus erschienen ist. Vor allem aber wird uns geschildert, was damals alles benötigt wurde an Planungen, Überlegungen, technischem Geräten und – Gepäck (vor allem auch Proviant für Mensch, Pferde und viele Hunde) notwendig war, um eine derartige Expedition zu bewältigen. Eis, Schnee Stürme, und 60° Kälte, Stürme verursachten Transportprobleme gigantischen Ausmaßes – alles hier wird in der für Jo Lendle besonderen Weise minutiös beschrieben. Aber wir erfahren auch eine Menge über die damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse und vor allem davon, wie viele sich – in der praktischen Erprobung – nun als Irrtum erwiesen.
Alfred Wegener ist ein Getriebener. ‚Ich glaube doch, Du hältst meinen Urkontinent für phantastischer, als er ist. Wenn sich nun zeigt, dass damit Sinn und Verstand in die ganze Entwicklungsgeschichte der Erde kommt, warum sollten wir zögern, die alten Vorstellungen über Bord zu werfen? …“ 1930 bricht er auf, um der Menschheit zu zeigen, dass es möglich ist, am einsamsten Punkt der Erde, im grönländischen Inlandeis, zu überwintern. Aber es gibt Schwierigkeiten – er schafft es nicht mehr zurück zur Küste.
Jo Lendle zeigt uns – in seiner unverkennbaren Sprache – das Leben dieses letzten großen Helden der Polarforschung und verharrt überall dort, wo sich Geschichten darin finden: wie Wegener unfreiwillig einen Rekord aufstellt, indem er 52 Stunden mit einem Heißluftballon in der Luft bleibt, oder wie er von der versammelten Wissenschaftsgemeinde für seine verwegene Theorie der Kontinentaldrift ausgelacht wird, für die er erst drei Jahrzehnte nach seinem Tod Anerkennung findet.
Das Besondere an Lendles Sprache ist, dass er mit kleinen, nur scheinbar zufälligen Sätzen Farbtupfer setzt, womit er der zeitlich weit entfernten Geschichte etwas Gegenwärtiges zu geben vermag. Man ist regelrecht dabei, obwohl sich der Autor selbst in keiner Weise herauszuheben versucht und somit eine ‚unverbaubare‘ Perspektive zulässt – man sieht alles sozusagen mit eigenen Augen.
»Der Wissenschaftsroman überzeugt besonders in den Abschnitten, die die verschiedenen Expeditionen Wegeners schildern. Man meint, den Wind, die Kälte, den Schnee und die grenzenlose Einsamkeit im ewigen Eis zu spüren.« Schreibt die Ruhr Nachrichten, am 05.09.2011 .
Wissenschaftsromane sind deswegen so faszinierend, weil wir die Menschen, die oft ihrer Zeit weit voraus waren, kennenlernen. Sie sind es, auf deren Schultern dann künftige Wissenschaftler stehen und weitermachen können. Oft nicht anerkannt – und doch legen sie mit ihren Zweifeln und Überlegungen den Samen, aus dem dann künftige Forschung weiterkommt.
Es sollte viel mehr solch großartige Bücher geben!
Ingeborg Gollwitzer
Hinterlassen Sie eine Antwort