Aus Sicht des GehirnsHrinforschung ist – zumindest in der Presse – in aller Munde. Dauernd werden wir darauf hingewiesen, wo und zu was die Hirnforschung dies oder jenes herausgefunden hat. Wir müssen uns mehr oder weniger damit zufrieden geben, dass diese bruchstückweisen Informationen schon stimmen werden. Aber können wir uns auch tatsächlich vorstellen, was da eigentlich wie erforscht wird? Haben wir ein Bild davon, was unser Gehirn, das wir ja jeder bei uns tragen, tatsächlich tut?

In früheren Jahrzehnten waren die Fragen um Denken und Handeln, um unseren freien Willen, überwiegend der Philosophie überlassen, da man ja keine Möglichkeit hatte, am lebenden Gehirn bestimmte – wenn auch noch lange nicht alle – Vorgänge nachvollziehen zu können und zu erforschen. Mit der Hirnforschung – so viel steht zumindest nun fest – sind wir mehr als je zuvor in der Lage, das begreifen zu lernen, was uns Menschen im Kern ausmacht. Aber: Die meisten der sogenannten populären Bücher sind oft sehr unbefriedigend – die Fachbücher versteht man nicht. Ich habe lange für Sie gesucht und bin dabei auf dieses Buch gestoßen:

Das erste Kapitel ist „Eine kleine Hirnkunde“ – und nicht wenige Hirnforscher sind der Meinung, unser Gehirn sei das komplizierteste System im Universum. Ein wenig kommen auch Sie in diesem Kapitel zu einem gewissen Verständnis der Zusammenhänge und erfahren zu Ihrem Erstaunen, dass unser Gehirn, dessen Aufbau Ihnen hier erklärt wird, keineswegs einzigartig, sondern ein typisches Säugetiergehirn ist – wenn auch allerdings in einigen Punkten verbessert.

Das kommt daher, dass die Evolution immer von dem bereits Vorhandenen ausgegangen ist, und dass durch sog. Mutationen sich immer mal etwas Neues entwickelte, das sich unter bestimmten Voraussetzungen als vorteilhaft erwies und beibehalten wurde. (Wieviele Mutationen sich im täglichen Leben nicht verwirklichen konnten und damit nicht fortgeführt wurden, weiß man nicht.)

Als Ausgangspunkt nimmt Gerhard Roth also die (noch existierenden = Amphibien und Reptilien) einfachste Form des Gehirns, das sich aber bei Säugetieren und Vögeln bereits in verschiedenen Teilen vergrößert; bei Säugetieren, wozu auch die Primaten und letztendlich der Mensch gehören, vergrößert sich zusätzlich die oberste Schicht, die Hirnrinde, die wie eine Haube auf den alten Teilen des Gehirns sitzt. Zu allen Formen des Gehirns hat der Autor Zeichnungen beigefügt. Was aber besonders hervorzuheben ist: Er erklärt alles so, dass  man es tatsächlich verstehen kann! Vor allem erklärt er auch, wie die einzelnen Teile des Gehirns miteinander kommunizieren und somit bewerkstelligen, dass Sie sich, obendrein auf ganz individuelle Weise, in dieser Welt zurechtfinden können.

Das 2. Kapitel „Welt, Körper, Ich“ erklärt uns, warum die Welt nicht = „ICH“ ist, obwohl es unser „ICH“ ausmacht, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen: Wir sehen, wir hören, wir tasten und fühlen, wir empfinden Temperaturen, schmecken und riechen. Und all das, was wir so erleben/empfinden, besteht wieder aus vielen Untereinheiten. All diese Teileinheiten werden in unserem Gehirn aufgenommen und verarbeitet und vermitteln uns ganz offensichtlich ein ganz bestimmtes Bild. Das Gehirn konstruiert sozusagen unsere Welt, unsere individuelle Welt, die ein anderer, das erleben Sie oft selbst, völlig anders sehen kann.

„Was uns Menschen so klug macht“ berichtet das 3. Kapitel. Gelegentlich kommt man sogar angesichts dessen, was man Affen, oft sind es Schimpansen, alles beibringen kann, ins Grübeln.  Und tatsächlich kann der Mensch vieles nicht, was andere Tiere perfekt können; ja, je weiter Hirn- und Verhaltensforschung kommen, umso mehr erkennt man bei Tieren auch Eigenschaften, die man bislang nur dem Menschen zugeschrieben hat – u. a. Intelligenz. Der große Vorteil des Menschen hängt aber mit seiner langen Jugendzeit und den Besonderheiten seiner individuellen Gehirnentwicklung zusammen: Er kann – und muss – länger und mehr lernen als alle anderen Säugetiere. Denken Sie nur daran, dass die meisten erst mit etwa 18 die Schule beenden und sich daran ein oft noch langes Studium, eine Ausbildung anschließt, wobei sich das Gelernte nochmals vermehrt. Und obendrein: Der Mensch kann und soll lebenslänglich lernen bis ins hohe Alter. Diese Feststellung enthält aber auch eine ernste Forderung an uns alle: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass das Lernen dem Menschen auch ermöglicht und von ihm gefordert wird. Vom Kleinkind bis ins hohe Alter. Und obendrein ist zumindest jeder Erwachsene für sich selbst verantwortlich, seine Möglichkeiten und Fähigkeiten zu vervollkommnen.

Die weiteren Kapitel werde ich hier nicht aufführen, sondern nur noch berichten, wovon in diesem Buch insgesamt und allgemeinverständlich – gesprochen wird: Wie entsteht unser Bewusstsein? Auf was sollen wir hören: Auf Verstand oder Gefühle? Was ist es, was uns formt: Die Gene, das Unbewusste, oder die Erziehung? Habe ich einen freien Willen? In insgesamt zwölf Kapiteln lernen Sie nun das Menschenbild kennen, was die Forschung derzeit über uns vermittelt hat.

Was fast noch wichtiger ist: Wenn Sie jetzt das eine oder andere aus der Hirnforschung hören, werden das künftig keine böhmischen Dörfer mehr sein für Sie. Die Grundlagen, das alles zu verstehen, haben Sie sich angeeignet, wenn Sie dieses Buch gelesen haben. Ich stelle es Ihnen besonders deswegen vor, weil es nicht nur das interessanteste, sondern vor allem auch verständlichste Buch ist, das ich bislang zu diesem Thema gelesen habe.