Ein Wort zuvor von Ingeborg Gollwitzer:
Ich fand die folgende Darstellung auf der Verlagshomepage des Klostermann-Verlages und bat ihn darum, dies in unserem Blog veröffentlichen zu dürfen, weil ich es besonders wichtig fand. Jeder, der mit Büchern zu tun hat, sollte sich vor Augen führen, wie sich das gestaltet, wenn Google Bücher integriert und verwaltet. Wir können nicht mehr zurück: Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen, mit sicherlich manchen guten aber auch manchen weniger guten Ergebnissen.

Aber alle sollten sich überlegen, ob sie diese, hier aufgeführten Mängel und Merkwürdigkeiten tolerieren wollen mit dem Ergebnis, dass Sie 1.) vielleicht in gar nicht ferner Zukunft Ihre Bücher nicht mehr bei den Ihnen vertrauten Fachleuten bestellen können und dass 2.) vielleicht viele Bücher gar nicht mehr produziert werden können, weil die Verlage verlieren und viele Produktionen eingestellt werden müssen. 3.) Und wenn man einen bestimmten individuellen Rat von einem Fachmann braucht, es diesen nicht mehr gibt. 4.) wird dann auch die Frage nach Verlagen, deren Lektoren oft wichtige und unersetzliche Arbeit leisten, immer bedenklicher. (Das besonders dann, wenn Sie selbst als Autor ein Buch oder Werke planen, bei denen Sie fachliche Hilfe brauchen)
Die Frage, dass dabei die Preisbindung und die finanzielle Sicherheit der Autoren untergraben werden können, steht derzeit auch im Raum. Ich erwähne hier nur, dass es in Deutschland nun keine Großlexika (Brockhaus) mehr gibt, weil es wegen Wikipedia (die ich sehr liebe) nicht mehr wirtschaftlich war; die seit Jahrzehnten eingespielte wiss. Redaktion steht auf der Straße. Jeder sollte sich überlegen, wann und wo er sich gegen Auswüchse wehren soll, die ihm das 21. Jahrhundert verleiden könnten. Denn das 21. Jahrhundert ist tatsächlich nun da!
Lesen Sie nun, was der versierte und mehr als renommierte Verleger Vitorio Klostermann bei seinen Recherchen erlebte: (Und schreiben Sie einen Kommentar dazu, den wir an Herrn Klostermann weiterleiten werden!)

Als Google vor vier Jahren anfing, ganze Bibliotheken in aller Welt zu digitalisieren, waren wir verblüfft: Das soll technisch möglich sein: Milliarden von Buchseiten im Volltext zu erfassen und in Bruchteilen von Sekunden zu durchsuchen? Und wir waren fasziniert: Welche Chance, um Aufmerksamkeit auf die Bücher unserer Autoren zu lenken! Als einer der ersten Verlage in Deutschland schlossen wir mit Google einen Partnervertrag. Wichtig war uns dabei, dass die Zahl der Seiten, die über Google angezeigt werden können, auf 20% eines Buches begrenzt war: Es sollte ja nur der Appetit geweckt werden, wir wollten das Buch nicht entbehrlich machen. Die Statistiken, die wir seither von Google erhalten, liegen bei 50.000 Buchseiten-Aufrufen pro Monat. Hat das der Verbreitung der gedruckten Bücher genützt oder geschadet? Wir wissen es nicht.

Google hat aber weltweit nicht nur rechtsfreie Werke digitalisiert oder solche, für die man die vertragliche Erlaubnis hatte. Googles Juristen hielten es nämlich zunächst gar nicht für notwendig, die Rechtefrage im einzelnen zu klären: Man sah sich auf der sicheren Seite, weil aus geschützten Werken ja nur „Snippets“ (kleinste Ausschnitte von 5 Zeilen) angezeigt wurden. Das, so Google, sei „fair use“ und nicht illegal. Nicht alle Autoren und Verlage sahen das so wohlwollend, vor allem nicht, seitdem ein Programm bekannt wurde, das die Zugriffsbeschränkung zu umgehen hilft. Die amerikanischen Autoren- und Verlegerverbände klagten gegen Google und einigten sich nach drei Jahren harter Verhandlungen auf ein „settlement“, einen Vertrag, der nun allerdings die europäischen Autoren und Verleger massiv benachteiligt:

Denn in dem Vertrag wird Google nicht nur der „fair use“ seines bisherigen Tuns bestätigt – Google zahlt dafür eine Gebühr von 60 US$ pro Buch -, sondern auch festgehalten, dass die Rechte aller Bücher, die aus amerikanischer Sicht „commercially not available“ sind und für die sich kein Rechtsinhaber meldet, künftig Google gehören. Google möchte daraus Lizenzpakete für den weltweiten Bibliotheksmarkt schnüren und E-Books verkaufen.

Was aber bedeutet „commercially not available“? Sind es alle Werke, die über die Buchgroßhändler in den U.S.A. nicht bezogen werden können? Gehören Vorauflagen aktueller Bücher dazu? Wie auch immer: wir fanden auf Anhieb eine ganze Reihe lieferbarer Bücher unseres Verlags, die von Google als „not available“ eingestuft wurden. Nun bietet Google zur Korrektur der Einstufung eine Datenbank an, die „Book Rights Registry“. Autoren und Verlage, die ihre Rechte wahren möchten, müssen sich jedoch durch die unvorstellbare Titelmenge von 80 Mio. Einträgen kämpfen, um dort das „opt out“ zu erklären. Und das geht nicht einfach durch das Setzen eines Hakens; die Lieferbarkeit muss für jeden Titel einzeln nachgewiesen werden. Also Zähne zusammenbeißen und durch? Auch das wäre kein Weg, denn die Datenbank enthält jede Menge falscher und fehlender Angaben. Viele Titel tauchen in verschiedenen Schreibweisen und Auflagen mehrfach auf. Hat man also seinen Titel gefunden, kann man nicht sicher sein, dass er nicht – abgewandelt – an anderer Stelle der Datenbank als „commercially not available“ noch einmal steht. Es ist praktisch unmöglich für europäische Autoren und Verlage, über dieses Verfahren ihre Rechte zu wahren. Deshalb kämpfen wir mit dem „Heidelberger Appell“ gegen das „settlement“.

Ihr Vittorio E. Klostermann (Sommer 2009)