Wahrheit und Wirklichkeit des frühen Christentums

Das Unternehmen Jesus

Dieses Buch wird auch für Sie eine Überraschung sein: Sind wir doch in den letzten Jahren, wenn ein Buch zum Thema ‚Jesus‘ erschien, mehr oder weniger daran fast gewöhnt, dass uns mitgeteilt und bewiesen wird, was – nach heutiger Sicht – alles fragwürdig an dieser Gestalt des Neuen Testaments ist, der wohl eine der wesentlichsten Kulturbewegungen und -entwicklung in den letzten 2000 Jahren folgte. In diesem Buch ist alles anders. Da haben sich  keine Historiker, Theologen – beider Konfessionen – Kulturjournalisten etc. des Themas kritisch angenommen. Da kommt – allerdings meisterhaft – ein gläubiger Christ zu Wort.

Hier ist endlich mal wieder etwas gelungen, von dem man sich eigentlich dachte, das sei heute gar nicht mehr möglich: Da hat sich jemand einfach nach seinen Möglichkeiten gründlich informiert und ist danach hingefahren, um festzustellen, was man heute noch von den Zeiten des Beginns des Christentums tatsächlich noch finden kann. Entstanden ist dabei ein großer, interessanter, wunderschöner Text- und Bildband, der obendrein für erstaunlich wenig Geld zu haben ist.

Der Text- und Bildautor, Leo G. Linder war neugierig geworden und fragte sich: Sind die Evangelien wahr? Beruht das Christentum auf realen Erfahrungen? Kann man irgendetwas davon noch getrost glauben? Oder sind alles fromme Märchen? Hat die Naturwissenschaft recht, wenn sie behauptet, alle Religion sei ohnehin nur eine biologische Funktion des Gehirns?

Wenn Sie diesen wunderbaren Bild- und Textband nur mal durchblättern, kommen Sie auf ebenso wundervolle wie interessante Bilder, teils als Doppelseiten: An einem Kapitel möchte ich zeigen, warum dieses Buch so reizvoll ist: Johannes der Täufer tritt auf: er ist wahrhaft so furchterregend und absonderlich, dass man das, obendrein außerordentlich plastisch beschrieben, sogar in der Bibel beschrieben nachlesen kann.  Er beschwor seine Zuhörer: Tut Buße, das Himmelreich ist nahe dabei heranzukommen!  Er aber, Johannes, hatte ein Kleid  von Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber war Heuschrecken und wilder Honig. Ein Foto zeigt den Jordan und die Stelle, wo Johannes der Täufer gestehen haben muss. Auf der gegenüberliegenden rechten Seite eine prachtvolle Ikone : Johannes jetzt stark veredelt als Mischung  als gefllügeltem Gottesboten und Eremit. Sehr lebendig wird hier vor der echten Kulisse sein Wirken geschildert, wobei besonders wichtig die Taufe Jesu ist.[Lassen Sie mich hier anmerken, dass es sehr reizvoll ist, jeweils den dazugehörigen Text in der Bibel selbst zu lesen!]

Aber Linder bleibt nicht nur beim biblischen Geschehen: Ganz begeistert beschreibt er z.B eine Ausgrabung im 19. Jahrhundert. Aramäische Christen fanden in einer Kirche aus frühbycantinischer Zeit, seit rund einem Jahrtausend nicht mehr im Gebrauch, also nur noch eine Ruine, unter dem Schutt auf dem Boden ein Mosaik mit der Landkarte Palästinas aus etwa 400000 bunten Steinen. Alles an ihr war einzigartig. Der Blick auf Städte in Vogelperspektive, die geographische Genauigkeit erstaunlich. Natürlich sind sie im Buch abgebildet. Sie erfahren auch, warum eine derart meisterhafte ‚Landkarte‘ auf dem Fußboden abgebildet wurde.  Ebenso finden Sie ein Foto von der Stelle, wo vermutlich die Taufe Jesu stattfand.

Sehr farbenreich wird nun die Begegnung von Johannes und Jesus geschildert: Gegensätze treffen hier auf einander, aber Ebenbürtige, zwei die Aufbruchstimmung bewegen werden. Wieder wunderschöne Landschaftbilder, dass man sich die Wüste vorstellen kann: Auch für Jesus ein Ort der Gottesnähe und Besinnung.

Glücklicherweise sind zwei Landkarten in diesem Band, man täte sich sonst schwer, die im Neuen Testament erwähnten Orte zu finden. In diesem Kapitel wird auch nach der äußeren Gestalt Jesu gefragt, der ja – völlig anders als Johannes – sich niemals ungewöhnlich kleidete, also unscheinbar in der Menge war. Erwähnt wir allerdings, dass die Augen Jesu, sein Blick etwas Besonders gewesen sein muss. Dankenswerterweise geht der Autor auch auf die Diskrepanzen in den Evangelien ein und erklärt sie. Hier wird auch jene (oft umstrittene) Scene erwähnt, in der Jesus in Jerusalem den Tempel reinigt und Geldwechsler und Viehhändler aus den Hallen vertreibt. Illustriert wird dies mit einer Wandmalerei aus dem vierzehnten Jahrhundert. Als berichtet wird, dass Jesus sich nun am See Genezaret einrichtet, wird dies illustriert durch eine Übersichtskarte, wo man die geographischen Zusammenhänge erkennen kann, Ergänzend kommen nun auch Fotos eines Blicks vom Berg der Seligpreisungen, und eines von den Resten des Fischereizentrums jener Zeit, aus dem drei der Jünger Jesu stammten und eine Rekonstruktion vom Haus des Weinhändlers. Immer wieder gelingt es so dem Autor, die Zeit Jesu so darzustellen. dass man findet, man könne dabei gewesen sein.

Jesus war der Funke – Paulus wurde das Pulverfass … Paulus glaubte an seine Mission und verbreitete die Worte Jesu immer weiter und weiter. Auch hier Karten, mit den für damalige Zeit gigantischen Reisen des Paulus. Man liest all das wie in einem wahrhaft spannenden Geschichtenbuch, erfährt viele Hintergründe und bekommt Seite für Seite reiches Bildmaterial. Was sich den unbeirrbar überall ausbreitenden Christen alles entgegenstellte, beschreibt Tacitus in seinen Annalen, auf die der Autor hinweist. (Übrigens zeigt wieder eine Karte die Ausbreitung des Christentums um 325.) Der letzte Abschnitt ist den Kirchenvätern, Säulenheiligen und Eremiten gewidmet. Die Zeit der Verfolgung war vorbei und immer mehr Landesfürsten machten ihren Frieden mit dem Christentum. Gerade dieses Kapitel ist sehr interessant, weil sehr viele sich gar nicht vorstellen können, wie dieser Glaube – zunächst als merkwürdige Sekte betrachtet – nun zunehmend angenommen wurde. Auch in diesen Gegenden ist der Autor, der die erstaunliche Entwicklung kenntnisreich und spannend erzählt, selbst vor Ort gewesen.

Es ist ihm damit tatsächlich rundherum gelungen, eine Reise durch die frühen Orte der Christenheit zu erreisen und darzustellen. Er hat sich seinem Unternehmen von zwei Seiten genähert: Er geht den Spuren erlebter Wirklichkeit in den Texten des neuen Testaments nach. Und gleichzeitig begibt er sich in den Ländern des frühen Christentums auf die Suche nach Zeugnissen der historischen Wirklichkeit. Er präsentiert die Schauplätze des Neuen Testaments und wartet mit überraschenden archäologischen Funden auf, er führt in die Lebenswelt von Jesus, Petrus und Paulus ein und beleuchtet ihren gedanklichen Kosmos.

Darüber hinaus verfolgt er das Unternehmen Jesus weiter, bis zu den großen Kirchenvätern und berühmten Eremiten des fünften Jahrhunderts. Der Leser erhält ein ganz neues, außergewöhnlich lebendiges Bild des jungen Christentums, das seinen Siegeszug in einer Welt antritt, deren Werte zunächst gänzlich andere sind. Spannend erzählt und reich bebildert, eröffnet dieses Buch jedem einen verblüffend leichten Zugang zum Christentum.

Weil ich diesen Band ganz hervorragend fand, hätte ich gern gewusst, wie und warum Linder auf dieses Thema gestoßen sei. Freundlicherweise hat er mir ausführlich geantwortet, und ich darf das jetzt an Sie weitergeben.

(..) „Sie sprechen es an: ­ all die philosophischen und religiösen Querverbindungen, die kulturelle Vernetzung dieses ungeheuren Raums zwischen Mittelmeer und Indien. Da ist eine ganze Ideenwelt in Bewegung. Das ist faszinierend. Ich habe nur den Eindruck: Bei der Beschäftigung damit verliert mancher das Einzigartige und Neue an bestimmten Personen oder Ideen aus dem Auge. Mir ging es deshalb nicht zuletzt darum, den einzigartigen Charakter der Person und Lehre Jesu herauszuarbeiten ­ bei aller großen Gedankenvermischung in dieser globalisierten Welt der Antike.

Natürlich stellt mein Buch nur eine Meinung unter vielen dar, und  nicht einmal eine, die durch eigene wissenschaftliche Arbeit abgesichert wäre. Zwar bin ich mit historischem und theologischem Rüstzeug einigermaßen versehen, aber letztlich kann ich mir mein eigenes Bild vor allem deshalb machen, weil ich als Dokumentarfilmer und Schriftsteller weiß, wie Autoren Wirklichkeit in Texte verwandeln.

Ich habe deshalb einen unüblichen Ansatz gewählt und die Evangelien als literarische Werke ernst genommen. Wir haben es hier eben nicht bloß mit theologischen Ergüssen zu tun, sondern mit literarischer Verarbeitung von erlebter Wirklichkeit ­ da lohnt es sich, die literarischen Mittel der einzelnen Evangelisten unter die Lupe zu nehmen. Ich finde jedenfalls, daß man auch mit den Instrumenten des Dokumentarfilmers und Schriftstellers auf diesem Gebiet recht erfolgreiche Detektivarbeit leisten kann.

Um zu Ihren Fragen zu kommen … Der Auftrag des Verlags lautete, eine Fortsetzung von Werner Kellers „Und die Bibel hat doch recht“ zu schreiben. Keller hatte sich das Alte Testament vorgeknüpft, ich sollte mir das Neue Testament vorknüpfen. Jetzt geht Keller rein archäologisch vor: Der und der Fund bestätigt für ihn die Richtigkeit bestimmter historischer Angaben im Alten Testament. Für die Wahrheit des Neuen Testaments ist durch archäologische Funde aber nichts gewonnen.

Also habe ich gesagt: Ich beziehe alles ein, was die Kulisse, vor der sich die Geschichte des frühen Christentums abgespielt hat, anschaulich macht, also archäologische Stätten und Funde sowie Landschaften und Orte, die zu Schauplätzen wurden. Ich beziehe auch die außerchristlichen literarischen Zeugnisse ein, die sich mit Jesus und dem Auftreten der ersten Christen beschäftigen, um die im Neuen Testament überlieferten Fakten damit zu vergleichen. Und im übrigen erzähle ich die Geschichte von Jesus, Petrus und Paulus so, daß sie möglichst plausibel, einleuchtend und nachvollziehbar ist, mit anderen Worten: so, daß sie jeder versteht.

Gereizt hat mich vor allem zweierlei. Erstens: Die Geschichten des Neuen Testaments bilden den dramatischen Urstoff unserer Kultur. Ich wollte ihm seine dramatische Gestalt zurückgeben. Ich wollte einen mittlerweile ziemlich eingetrockneten Stoff ins Leben zurückversetzen.

Und zweitens: Ich wollte eine Gesprächsgrundlage für Christen und Atheisten, für Gläubige und Zweifler schaffen. Für Menschen, die auf Jesus gut zu sprechen sind, und solche, die auf ihn schlecht zu sprechen sind.

Ich stelle nämlich fest, daß die meisten gar nicht mehr wissen, was überhaupt Sache ist, wenn über Religion und Christentum gestritten wird. Unter den Atheisten gibt es viele, die von den kümmerlichen Resten ihres Kinderglaubens ausgehen, wenn sie den Glauben kritisieren oder ablehnen. Und unter den Christen gibt es viele, die einfach nachplappern, was in der jeweiligen Gemeinschaft als unumstößlich gilt.

Ich wollte deshalb ein Buch schreiben, das Sachkenntnis mit einer gewissen Freiheit der Interpretation verbindet ­ als Gesprächsgrundlage für beide Seiten, wie gesagt. Ich hoffe, das Buch enthält Anregungen für ein solches Gespräch.

Schwierigkeiten gab es überhaupt keine. Mich hat es die ganze Zeit über fasziniert, ins Anfangsstadium des Christentums zurückzusteigen und noch einmal teilzunehmen an der leidenschaftlichen Debatte über die Frage, die alle Autoren bewegt: Wer war dieser Mensch, dieser Jesus? Wer war er eigentlich, wer war er wirklich? Und ich finde, die Gestalt Jesu ist es wert, daß man sich diese Frage immer wieder stellt.

Im übrigen habe ich in dieser Zeit mit vielen Menschen diskutiert, mit Theologen und Laien, und habe dabei viel gelernt. Wenn ich dann noch meine dreimonatige Recherchenreise durch den Vorderen Orient, die Türkei, Griechenland und Italien erwähne (auf der die meisten Fotos entstanden sind), werden Sie mich verstehen, wenn ich sage: Die Arbeit an diesem Buch war ein einziges Vergnügen.

Dem ist nur hinzuzufügen, dass auch das Lesen und Betrachten dieses Buches ebenfalls ein einziges Vergnügen ist! Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, welche gigantische Arbeit mit der Zusammenstellung und dem Schreiben der Texte Linder geleistet hat. Gar nicht glauben wollte ich, als ich den prachtvollen großen und schweren Band durchgegangen bin, dass ich feststellte, wie unglaublich preiswert dies faszinierende Buch ist! Damit ist es wirklich für Jeden, der sich dafür nun interessiert, leicht zu beschaffen und ich freue mich auf viele, viele Leser!

Ürigens:
Leo G. Linder, Jahrgang 1948, studierte Film, Geschichte und Philosophie. Er hat als Regisseur zahlreiche Dokumentarfilme gedreht und bisher über dreißig Bücher zu kunst- und kulturgeschichtlichen Themen sowie Reise- und historische Jugendbücher veröffentlicht.
Linders besonderes Interesse gilt Äthiopien und den Ländern des Nahen Ostens, in denen das Christentum schon früh Wurzeln schlug und sich bis heute erhalten hat.

Wieder mal ein ganz besondere Empfehlung von Ihrer Ingeborg Gollwitzer