Gesundheit als Erbe der Evolution: Eine vielversprechende Richtung der Medizin: Evolutionäre Medizin. Oder: Wie der Mensch wie Phönix aus – – dem Meer entstieg – warum er mehr davon wissen sollte …
… auf dem Weg zu einer evolutionären Medizin – aber was ist das eigentlich?
Unsere genetische Ausstattung ist prima an ein Leben … in der Steinzeit angepasst. Was allerdings damals von Vorteil war und das Überleben sicherte, wird in der heutigen Zivilisationsgesellschaft jedoch oft zum Risikofaktor. Viele Krankheiten verstehen wir nur, wenn wir die evolutionären Prozesse dahinter analysieren.
Keine Angst, dass das Buch kompliziert sein wird für Sie. Die, die es gelesen haben, sind begeistert von diesem Buch. „Ein Buch, das einem die Augen öffnet für die Evolution des Blinddarms“ meinte – wie immer überspitzt und ironisch Dr. Eckart von Hirschhausen, der, wie Sie vermutlich bereits wissen, selbst Mediziner ist.
Die Autoren dieses wirklich auch spannend geschriebenen Buches lassen Sie nicht allein: Zunächst erklären Sie Ihnen die Zusammenhänge. Dann erst beschreiben Sie Ihnen die neuesten Erkenntnisse und welche Möglichkeiten für das Gesundsein und -bleiben jetzt und in der Zukunft daraus erwachsen. Auf diese Weise erfahren Sie mehr über die Evolution des Menschen als vermutlich früher: Hier erfahren Sie, dass dieses Gebiet nicht irgendwie trocken immer weiter erforscht wird, sondern auch Sie persönlich etwas angeht.
Mit jeder Seite, jedem Kapitel wird etwas beschrieben, was Sie interessiert: Schließlich liegt jedem die eigene Gesundheit und die seiner Familie am Herzen. Warum sind wir so, wie wir sind? Die etwas theoretische Antwort: weil eben unser Erbgut so ist. Aber man weiß tatsächlich erst seit 1953 – was es damit auf sich hat. Damals gelang es dem jungen Biochemiker James D. Watson, zusammen mit Francis H.C. Crick und Maurice H. F. Wilkins zu enthüllen, wie ‚das Erbgut‘ eigentlich funktioniert. Eigentlich ganz einfach: eine Doppelspirale : zwei ineinander verwundene Ketten des Desoxyribonukleinsäure-Moleküls – alle Erbinformationen und Zellbaupläne sind darin enthalten, auch jene, die Sie zu dem machen, wie sie sind, vermittels derer die Erbinformationen von den Eltern auf ihre Kinder weitergegeben werden. Aber es sind auch Erbinformationen darin enthalten, die seit vier Milliarden von Jahren von (nicht nur den menschlichen) Eltern auf Kinder weitergegeben wurden.
Man muss es sich klar machen, wer alles zu unseren ‚Vorfahren‘ zählt; sie sind vielfach noch erhalten:Archaeen auf dem Meeresgrund und in alten Gesteinen, die Einzeller, einfache Mehrzeller, Pflanzen, Fische, Amphibien bis hin zu den Primaten – eins entwickelte sich auf der Grundlage oder Variation der vorherigen. Somit kann man sagen, dass der Mensch nicht wie Phönix aus der Asche, sondern aus dem Meer entstiegen ist. Dass das eingehender hier beschrieben wird – wenn auch in einer für Laien notwendigen Kürze – ist unerlässlich, um die Folgen für die Krankheiten des Menschen, von denen anschließen die Rede ist, verstehen zu lernen.
Ein Kapitel wird Sie überraschen: Plant Mensch. Der Mensch ist eine bunte Lebensgemeinschaft. Ohne Billionen von Mitbewohnern könnten wir nicht existieren. … Die Mikroorganismen, die unseren Körper besiedeln, sind so wichtig für uns, dass man sie als eine Art Organ bezeichnen kann.- Sie bilden ein robustes Ökosystem mit einer riesigen Artenvielfalt. Aber: Verändern sich die Umweltbedingungen stark, verschiebt sich auch die Zusammensetzung der Arten. Mitunter macht uns das krank. Vor allem, können Viren und Bakterien sehr schnell reagieren (sich anpassen.) Manche Bakterien bringen in einem Monat 72.000 Generationen hervor, die sich dann an neue Lebensbedingungen anpassen. Das spielt dann bei z.B. Antibiotika eine Rolle, auf die sich die Mikroben fix eingerichtet haben und die nun nichts mehr auswirken können.
Zurück zur Evolution: „Jeder heute lebende Mensch ist das bisher letzte lebende Glied, wenn er Kinder hat das vorletzte, einer seit Entstehung des Lebens vor etwa vier Milliarden Jahren unterbrochenen Reihe von Eltern und Kindern. Vorbedingung: sie mussten fortpflanzungsfähig sein. Wenn nicht, brach mit ihnen die Kette ab – sie konnten ihr Erbgut nicht weitergeben. Viele früher existierende Lebewesen sind ausgestorben weil sie nicht überlebensfähig waren. (… ) Naturgeschichtlich betrachtet sind wir alle Elite.“ Man weiß heute, dass wir gestaltet werden mit dem Erbgut, das unsere UrUrUrUr…vorfahren in langer, mühsamer und verlustreicher Generationenfolge so entwickelt haben, wie wir es heute noch in uns tragen.“
Was aber in Jahrmillionen perfekt wurde und in uns erhalten blieb, passt in einigen Punkten nicht in unsere Lebensweise: es ist jener Punkt, der dazu führt, dass die heute lebenden Menschen viele Erkrankungen mit vielen Zeitgenossen teilen. Populär nennt man es Volkskrankheiten. Die evolutionäre Medizin sieht also den Menschen in Gesundheit und Krankheit als Ergebnis einer langen Entwicklung. Professor Detlev Ganten stellt beim DGIM-Kongress in Wiesbaden Beispiele vor, die zeigen, dass biologische Gegebenheiten, die unter früheren Bedingungen Überlebensvorteile brachten und daher in Genpool konserviert wurden, den heutigen Bedingungen des Lebens nicht mehr angepasst sind.
Von der Kehrseite der Medaille: Die – eigentlich sensationelle Entwicklung zum aufrechten Gang hat den Menschen zu einem geschickten und vielseitigen Generalisten als Jäger und Sammler gemacht, heute allerdings fordert dies seinen Tribut in Form von Krankheiten an der Wirbelsäule und am Skelettsystem, (jeder kennt unzählige Menschen mit Rückenschmerzen oder hat selbst welche). Waren die guten Futterverwerter in früheren Zeiten etwa die überlebenden Gewinner, führt dieses evolutionäre Erbe heute bei überreichem Nahrungsangebot zu Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.
Ein anderes Beispiel: Früher war das Renin-Angiotensin-System (RAS) [ist eine Kaskade von verschiedenen Hormonen und Enzymen, die im wesentlichen den Salz- und Wasserhaushalt des Körpers steuern.und z.B. Durstgefühl auslösen] eines der wichtigsten blutdruckregulierenden Systeme des Körpers. Es war evolutionär von Vorteil, das den Blutdruck unter allen Umständen aufrechterhielt und eine Dehydrierung verhinderte. Dazu hält es Salz und Wasser in der Niere zurück und verengt bei Volumenmangel die Gefäße. Früher in der Savanne, dem Ursprungsort des Homo sapiens, waren Salz und Wasser knapp, und er verlor diese durch Hitze, körperliche Arbeit und Schweiß. Ein aktives RAS half ihm, zu überleben. Bei der heutigen Lebensweise und dem (zu) hohem Salzkonsum ist das RAS überaktiv, und der Blutdruck ist bei 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zu hoch. Uns bleibt daher die Wahl, zurück zur Lebensweise der Jäger und Sammler zu gehen oder aber, bei Bluthochdruck, das RAS medikamentös auszuschalten, stellt Ganten fest. Daher wird heute bei Hochdruckkranken zuerst einmal die Reduktion von Salz empfohlen.
Auch Angst, Schmerzen und Fieber sind ursprünglich als Schutzmechanismen entstanden, führen heute aber häufig zum Arzt. Angeborene Fehlbildungen, wie Neuralrohr- oder Ventrikelseptumdefekte, sind Embryonalstadien, die persistieren, und sind damit Zeugen phylogenetischer und ontogenetischer Entwicklungsstadien.
Die evolutionäre Betrachtungsweise ist somit zunehmend wichtig für das Verständnis der Natur des Menschen – des Gesunden wie auch des Kranken. Die Ergebnisse des Humangenomprojektes sowie die Erforschung der Genome vieler anderer Spezies in Verbindung mit neuen funktionellen Analysen von Modellsystemen lassen nach Auffassung von Ganten rasante Fortschritte erwarten und erfordern neue Strukturen der wissenschaftlichen Arbeit, der Übersetzung der Forschungsergebnisse in die ärztliche Praxis und der Vermittlung dieses Wissens.
Was hat die Gräte mit unseren Rückenschmerzen zu tun? Der Blick in die Naturgeschichte des menschlichen Körpers bringt Erstaunliches ans Licht. Fast alle Krankheiten lassen sich mit Blick auf ihre evolutionäre Entstehung besser verstehen – und deshalb eher vermeiden. – oder: ein Blick in die Zukunft – auch heilen.
Wissen ist die beste Medizin. Wir müssen begreifen: Unsere Körper sind Meisterwerke der Natur. Aber sie sind nicht perfekt. Wir sind der lebende Kompromiss aus unseren evolutionären Vorgängern, den Affen, Amphibien, Fischen, Einzellern. Seit der Steinzeit hat sich unser Körper kaum mehr verändert und passt nun nicht so recht zum modernen Leben. Deshalb werden viele krank.
Der Arzt und langjährige Charité-Chef Detlev Ganten hat mit Thomas Deichmann und Thilo Spahl ein spannendes Buch über einen der wichtigsten neuen Ansätze für gesunde Lebensführung geschrieben: die Evolutionäre Medizin. Sie kann die Ursachen erklären, warum wir in Scharen mit Rückenschmerzen zum Orthopäden laufen und uns Allergien, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen plagen. Wieso kreuzen sich Luft- und Speiseröhre, was uns so oft husten lässt? Und warum ist Bewegung für unseren Steinzeit-Körper so wichtig?
Detlev Ganten zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten in der europäischen Forschungslandschaft. Er ist u.a. Gründungsdirektor des Max-Delbrück-Centrums für molekulare Medizin, Professor für Klinische Pharmakologie an der FU Berlin, Mitglied im Nationalen Ethikrat und Vizepräsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Thilo Spahl ist Diplompsychologe und Wissenschaftsjournalist im Bereich „Life Sciences“. Thomas Deichmann ist Journalist und Chefredakteur von NOVO, dem „Magazin für Zukunftsdenken“.
Genug der (im Buch) notwendigen Vorreden: Was hat es auf sich mit dem ‚Kreuz mit dem Kreuz‘? Das kommt vom Aufrechten Gang – die Wirbelsäule steht senkrecht und ist sehr beweglich und die Wirbel sind mit ‚Zwischenpolstern‘ (den im Lauf eines Lebens immer bemerkbarereren Bandscheiben) abgepuffert. Zu oft richtigen Katastrophen kommt es aber vor allem durch zu wenig Bewegung bereits in der Kindheit, durch die erst die Muskeln entstehen und erhalten werden, die das alles an Ort und Stelle halten. (Unsere steinzeitlichen Vorfahren waren ja unentwegt in Aktion; stundenlanges Sitzen kannten sie auch nicht. Somit war ihr Genom auch nicht auf unsere heutige Lebensweise eingerichtet.)
Bewegungsarmut macht krank und fett! Falsche Nahrung macht mehr als nur dick, sondern auch anderswo richtig krank. Die Primatenvorfahren ernährten sich hauptsächlich von Früchten. Daher schwand in der Evolution die Fähigkeit, selbst Vitamin C herzustellen – sie bekamen ja genug davon. Wir aber müssen es nun ‚zufüttern‘!
Der nun kommende Mensch entdeckte das Feuer. Er konnte ‚kochen und braten‘; auch Vegetarier gab es vermutlich damals nicht. Mit Ackerbau und Viehzucht wurde das Getreide Hauptnahrungsmittel.
Tja, und dann, im 20. Jahrhundert fing es an: Jetzt kamen sie auf uns zu und wurden modern: Konzentrierte Kohlenhydrate in Form von Zucker, weißem Mehl und geschältem Reis. In sieben wesentlichen Faktoren hat sich die moderne Ernährung verändert: Es ist die genannte glykämische Last, die angibt, wie stark ein Nahrungsmittel den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt, die falsche Zusammensetzung der Fettsäuren führt oft zu erheblichen Komplikationen, die dem seinerzeitigen Nahrungsangebot angepassten Nährstoffe, das Verhältnis von Natium zu Kalium, das Säure-Basenverhältnis und die Menge an Ballaststoffen – das alles passt meist nicht mehr mit unserem Organismus des Steinzeitmenschen überein. (Die hier aufgeführten Stichworte werden dann im Buch genau erklärt.)
Daraus folgt: Dass wir auf sehr vielen Gebieten von der Vergangenheit lernen müssen und uns Gegenwärtige aus dieser Perspektive neu begreifen. Dazu gehören, außer Bewegung! (man sollte immer an ein -!- nach diesem Wort denken), Ernährung, wie auch Haut und Haare, Krebs, Chemie im Essen, Risikofaktoren (zu denen auch die Sonnenbestrahlung gehört)
Ein weiterer Blick in die Evolution zeigt, dass sich in unserem Körper eine Vielzahl von Gift-Abwehr- bzw Reparaturmechanismen entwickelt hat – die uns bis heute erhalten geblieben sind. Es gibt mehrere ‚ABER‘: Umweltgifte sind auch in unserer natürlichen Nahrung enthalten: Verfüttert man einige davon in hohen Dosen an Ratten, können sie Krebs erzeugen. Das heisst, Schimmelpilzgifte, viele chemische Elemente (Blei, Cadmium, Chrom usw.) wie auch verschiedene Substanzen aus Tees und Kräutern sind bis heute in manchen Regionen für erhöhtes Auftreten von Krebs verantwortlich. Letztlich kommt es – wie überall im Leben – auf die Dosis an.
In der Krebsforschung ist bis heute noch kein großer Durchbruch gekommen. Die Evolutionsmedizin kann hier neue Denkwege ermöglichen. Bei vielen ‚Volkskrankheiten‘ kann man ganz anders vorgehen, wenn man ihren Ursprung kennt. Hierzu gibt es Buch viele praktische Hinweise. Auch hinsichtlich der Abwehr gegen KREBS sind wir nur mässig ausgestattet. Ganz einfach, weil früher das Lebensalter sehr viel kürzer war als heute: Kaum ein Steinzeitmensch bekam vermutlich Krebs, er war also solange gesund, bis er sich fortgepflanzt hatte. Heute werden wir alt genug, m Krebs zu bekommen. Ein böses Geschenk! Zunächst machen auch hier falsche Ernährung und Bewegungsmangel einiges aus. Denn in den ärmeren Ländern dominieren Leber-, Lungen-, Magen- und Speiseröhrenkrebs. In den reicheren sind es Brust-, Prostata-, Dickdarm- und Hautkrebs.
Krebs entsteht, wenn Zellen in einem Orgnismus aus der Reihe tanzen. Dass er auch bei allen Wirbeltieren und sogar bei einigen Schnecken auftritt, muss nicht verwundern: Es ist die Folge von für die Entwicklung des Lebens unerlässlichen Mechanismen der Kontrolle des Wachstums und der Zelldifferenzierung. Aber all dies reagiert auf die Umwelt. Jeden Tag treten im Erbgut jeder Zelle unseres Körpers mehrere Zehntausend Beschädigungen auf, die allerdings unablässig geflickt werden. Zellen werden ohnehin periodisch erneuert. Ist eine kaputt, wird sie eliminiert oder stirbt von allein. Bleibende Schäden nennt man Mutation. Dann kann es ernst werden: wenn eine Zelle nicht kaputtgeht, sondern sich munter vermehrt und nicht von der ‚Hausordnung‘ unseres Körpers erreicht wird.
Das alles, was in unserem Körper als die Evolution in uns bezeichnet wird, erklärt dieses Buch ebenso anschaulich wie regelrecht spannend. Sie werden es bald merken: Hier haben sich die Kenntnisse der Evolution mit denen der Genetik verbündet; bei beiden wird einem das Gefühl genommen: das alles geht mich doch nichts an. Sie werden hellhörig! Sie verstehen: Das alles geht sogar mich persönlich viel mehr an, als ich mir vorstellen konnte. Sie sehen Ihr und DAS Leben mit völlig neuen Augen – und Sie werden – da bin ich fast sicher- auch dies und das zu ändern beschließen.
Um es zusammenzufassen: Ein vergleichbares Buch gab es bislang noch nicht. Es ist klar gegliedert und bietet Ihnen – schrittweise – klar verständlich Grundwissen für die ganz wesentlichen Tatsachen und Grundbedingungen unseres Lebens, von denen man unbedingt mehr wissen sollte, als uns bisher ermöglicht wurde.
Noch einfacher gesagt: Lesen Sie es unbedingt!
Ingeborg Gollwitzer
Etwas Wichtiges habe ich oben vergessen und zitiere es hier:
„Diese Fortschritte sind nach Gantens Angaben möglich, wir seien dafür aber nicht genug vorbereitet. In wenigen Jahren werde man das komplette Genom für 1 000 Euro sequenzieren können, und es würden leistungsfähige Methoden zur Charakterisierung des Proteoms etabliert sein, stellt Ganten fest. Diese könnten die Analyse der Pathophysiologie von Krankheiten, die klinische Diagnostik aber auch Therapie und Prävention bereichern. Dazu, so Ganten, sind jedoch ganz neue Strukturen in der Forschung und in der Klinik nötig. Diese Entwicklungen müssen unter einem ganzheitlichen Blickpunkt des Fortschritts in der Medizin, der Kosten, aber auch der Chancen für die Gesundheitswirtschaft gesehen werden. (eb)“
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