Nachdem / obwohl fast kaum jemand „das“ Buch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt vollständig gelesen haben kann, gehen die Wogen Pro und Kontra erregt hin und her.

Derzeit versucht mein in mehr als fünfzig Buchhändlerjahren dressiertes Gehirn mir ein Lächeln zu verkneifen Denn solange ich mich erinnern kann, gibt es auf ein in der Diskussion stehendes Buch drei überwiegende Reaktionen:

Die einen müssen es SOFORT haben – womöglich ohne es später selbst ganz zu lesen bzw. zu verstehen…  Die anderen distanzieren sich aufgrund der allgemeinen Reaktionen schon mal davon bzw. wollen selbst nicht auch noch dem Autor den Gewinn in den Rachen schmeißen – dazwischen liegen die, die erstmal abwarten und sich vielleicht doch mal ein Bild des inkriminierten Buches mache.

Es gibt noch eine vierte Gruppe: die Zitatenspeyer: Wenn denen ein ihren Intentionen entsprechendes Zitat auftaucht, eignen sie sich das an – ohne dabei in Betracht zu ziehen, ob dieses Zitat ‚unterwegs – so wie bei der Stillen Post – verändert worden sein könnte.

Also, mit dem Sarrazin bin ich beim Lesen in etwa in der Mitte angelangt und bevor ich es nicht gänzlich gelesen habe, gebe ich kein definitives Urteil von mir. ABER: Bis auf diese unglückseligen Ausflüge in die Genetik der Intelligenz bin ich auf manche Kapitel gestoßen, die durchaus auch IHREN Zuspruch finden würden. Besonders ist auch der zum jeweiligen Kapitel gehörige Anhang recht aufschlussreich über die Quellen des vorn Beschriebenen.  Insgesamt enthält das Buch  SEHR viele relevante Informationen, die man so gebündelt selten findet.

Eins noch begrüße ich an dem Sarrazin-Buch (mal die unselige Genetik der Intelligenz insbesondere bei Muslimen beiseite lassend): Es ist eine umfangreiche und sorgfältig recherchierte Fundgrube all jener Strömungen und Entwicklungen im Nachkriegs-Deutschland, die uns in die augenblickliche Situation hineingeschaukelt haben. Und seitenweise könnte der Text auch von anderen stammen, die ‚eigentlich‘ mit Sarrazin einer Meinung sind, es aber vorerst mal abstreiten. (Aber wenn seit Jahrzehnten schon mal der eine oder andere was zu unserem immer verfahreneren Bildungssystem einerseits und zur Integration der Zuwanderer  angemerkt hat, wurde das ja beiseite geschoben. )

Außerdem zur Immigranten-Frage: Als wir dringend Arbeitskräfte brauchten, haben wir sie zu Millionen herbeigeholt – wie man sie integrieren könnte, hat man zunächst weniger bedacht. Dann wollte man sie am liebsten heimschicken – es gab ja weniger Arbeit – aber sie blieben und holten überdies noch ihre Familien nach. Nun, inzwischen sind es immer mehr geworden – man ließ das zu, ohne größere Verpflichtungen mit ihrer Einwanderung zu verknüpfen. Und nun sind es obendrein auch noch so viele Muslime! Wo doch mit dem Islam so viel Gefährliches verbunden ist!

Also, ICH möchte derzeit nicht Muslim in Deutschland sein – ob integriert oder nicht.

Dieses Buch wird wohl zu einer bestimmten, sich oftmals wiederholenden Kategorie gehören: Es gleicht einem Stein, der ins Wasser fällt:  Erst gibt es einen Plumps, dann das Aufspritzen und dann ziehen im Wasser  immer weiter werdende Kreise dahin …

Und das ist in diesem Falle dann in vielerlei – wenn auch nicht in jeder – Hinsicht auch gut so.

Ich meine, man sollte es lesen – und ich lese es gleich meinerseits weiter, um Ihnen dann hier ordentlich darüber zu berichten.

Das meint zum Wochenbeginn Ihre Ingeborg Gollwitzer.

PS. Eben lese ich in der Zeitung ein dpa-Artikel zum obigen Thema.  Wiedermal ist es Guttenberg, der sich sachlich und vernünftig geäußert hat Da wir nicht alle die gleiche Zeitung lesen, zitiere ich hier etwas aus meiner: „Bundesverteidigungsmininister K-T_zu Guttenberg fordert eine Debatte ohne Scheuklappen über Integration von Einwanderern. (…) Dass wir Missstände bei der Integration haben, ist unbestritten. Rr sei überrascht, wie wenige Menschen in unserem Land bereit sind, sich mit den Inhalten von Herrn Sarrazin auseinanderzusetzen. Stattdessen gebe es den ersten Reflex flächendeckender Empörung.  (…) Und Guttenberg meint zu Sarrazin: … aber er hat die richtige Debatte angestoßen.“