Die Brüder HumboldtDass Geschwister sich häufig extrem unterscheiden, ist eine vielen bekannte Tatsache. Dass aber ganz unterschiedliche Brüder trotzdem bis ins hohe Alter eine enge Beziehung miteinander haben, kommt nicht so oft vor. Aber das Brüderpaar, von dem hier die Rede ist, hat außerdem Geschichte geschrieben und das auf ganz unterschiedlichen Gebieten.Wir reden von Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) und Alexander von Humboldt (1769 – 1859). Noch dazu haben beide in diesem Jahr ihre Jubiläen und sind so aktuell, dass man sich kaum vorstellen kann, dass sie schon vor so langer Zeit gelebt und gearbeitet haben. Außerdem ist die hier vorgelegte Biographie sehr lesenswert und sehr gut zu lesen.

Auch die weit verbreitete Meinung, eine wenig glückliche Jugend beschädige für das ganze Leben stimmt nicht unter allen Umständen. Manfred Geiger ist dem Lebensverlauf der Brüder hier nachgegangen: Nein, ihre Jugend war nicht besonders glücklich, wurde aber von hervorragenden Hauslehrern – wie das damals üblich war – begleitet, so dass sie mit einem guten Rüstzeug ihre Lebensreise antreten konnten. Auch waren sie bei aller Unterschiedlichkeit in manchen Punkten einer Meinung: Beide liebten die Natur.

Sie hatten auch weiterhin eigentlich richtiges Glück, indem sie bereits im Studienalter in den Kreis der Berliner Aufklärer gerieten und lernten, den Mut zu haben, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Dem Leser dieses Buches wird ein wichtiges Zeitalter lebendig vor Augen geführt: Erwähnen wir nur einmal den Philosophen Immanuel Kant. Was trug er zum Denken und zur Orientierung der Berliner Aufklärer bei (und wird auch heute noch immer, wenn es um philosophische Grundsatzfragen geht, weiterhin immer wieder zitiert, sodass es sich bis heute lohnt, zu lesen, was er einst gedacht und geschrieben hat).

Überhaupt können Sie in diesem Buch die Berliner Aufklärung und ihren großen Einfluss auf Leben und Denken nachvollziehen. (Schade, dass es so etwas heute eigentlich nicht mehr gibt, werden Sie gelegentlich denken.) Die Lesegesellschaft, in die die Brüder als jüngste Teilnehmer eingegliedert wurden, war ein Zusammenschluss von Juristen, Theologen, Medizinern, Politikern, Pädagogen, und Philosophen. Bildung war ein wichtiger Begriff, die es zu erarbeiten galt. (Und ich merke an, wie gerade dies unserer derzeitigen Gesellschaft fehlt!)

Wir können auch nachlesen, wie die Brüder die Französische Revolution erleben, und wie Wilhelm v.H. sich nicht nur verlobt, sondern sich auch entschließt, in Berlin eine juristische Beamtenlaufbahn im preußischen Staatsdienst zu beginnen. A. v. Humboldt befindet sich in einer tiefen Krise, und in der Biographie schildert der Autor nach dem regen Briefwechsel der Brüder, wie sich ihr Leben weiterentwickelt. Sogar zu einer Begegnung mit Schiller und Goethe kommen die beiden Brüder – und die ist sehr fruchtbar für alle Beteiligten.

Aber so, wie Wilhelm Sprachen und Wissenschaften auf der Spur ist, so sehr interessiert sich Alexander für alles Lebendige und dessen Zusammenhänge. Und eines Tages schreibt er an seinen Jugendfreund Carl Freisleben: „Welch ein Glück ist mir eröffnet! Mir schwindelt der Kopf vor Freude. Ich gehe ab mit der spanischen Fregatte Pizarro; wir landen vorher in den Canarien und an der Küste Caracas in Süd-Amerika. (…) „In der Biografie wird nun berichtet. was A.v. H. auf dieser berühmt gewordenen und folgenreichen Reise alles erlebt, die am 5. Juni 1799 beginnt. Was für ein Abenteuer, wenn man sich überlegt, zu welcher Zeit und mit welchen Mitteln sie durchgeführt wird.

Das müssen und sollten Sie alles nun selbst lesen. Beide Brüder haben – bei aller Unterschiedlichkeit – Geschichte geschrieben: Wilhelm als Philosoph, Sprachforscher und preussischer Staatsmann, Alexander als Naturforscher, Schriftsteller und Weltreisender. Sein monumentales Werk „Kosmos“ wurde in unseren Tagen wieder aufgelegt und ist eine Fundgrube. Trotz aller Gegensätze waren sich die Brüder zeitlebens sehr verbunden. Im Alter kehrten sie wieder in ihr Elternhaus zurück, wo Sie ihre begonnenen Werke vollendeten.

In dieser Doppelbiographie wird Leben und Werk der beiden beschrieben, und zugleich das Bild einer glanzvollen Epoche nachgezeichnet. Sie nahmen teil am Höhenflug der Klassik, und entwarfen schließlich – im Zeitalter der Aufklärung erwachsen geworden – jeweils einen wissenschaftlichen Universalismus, der gerade heute wieder hochgradig aktuell ist. Vielleicht ist es gerade jetzt in den Ferien ein Buch, das Ihren Horizont lebendig und erheblich erweitert.