Wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat
Vielleicht die bisher einzige positive Rezension dieses Buches!
 

Thilo Sarazin - Europa braucht den EURO nicht

Inhaltlich ist das Buch genau das, was Titel und Untertitel versprechen. Und das mit bemerkenswerter Genauigkeit. Schon allein wegen der vielen Zahlen, Tabellen, Anmerkungen  und Übersichten, mit denen der Werdegang des Euro beschrieben wird, ist dies Buch eine lohnende und sehr empfehlenswerte Lektüre. Man bekommt sie nämlich anderweitig bislang noch niemals so ordentlich präsentiert. Freundlicherweise lässt Sarrazin diesmal betont offen, was der Leser aus dieser Genese herauslesen und zu welcher Ansicht man kommen will.

Was mich aber wieder einmal auf die Palme bringt, ist das unisono Herunterbeten der Medien von irgendwo aufgebrachten Meinungen, ohne das Buch überhaupt gelesen zu haben!  Ich finde das unredlich!

In der hervorragend  geführten Talkshow bei Günter Jauch passierte nämlich etwas Erstaunliches: Peer Steinbrück, der dazu angereist war, um Thilo Sarrazin in Grund und Boden zu reden – er bezeichnete das Buch sogar mal als Bullshit – musste nämlich bei allen von Sarrazin vorgebrachten Untersuchungsergebnissen zugeben, dass dieser Recht hatte und dass daran eben noch gearbeitet werden müsse, aber es ginge eben nicht um die Vergangenheit, sondern einzig und allein um die Zukunft!  Dabei trennt Sarrazin sehr sorgfältig zwischen ‘Politischem Wunschdenken’ und den harten Fakten des bisherigen Euro-Verlaufs, und stellt anhand dieser Erkenntnisse die Frage, wie man zu vernünftigen Kompromissen zwischen Wunschdenken und Realität kommen könne.

Ähnlich verhält es sich mit der Behauptung, Sarrazin stelle eine Verbindung von der deutschen Schuld aus dem Holocaust und dem Euro her – dies geht nämlich auf eine Rede von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt zurück, dem dieser Gedankengang wohl erlaubt war, während man ihn nun Sarrazin ankreidet. Sarrazin hat Schmidts Ansicht aber lediglich erwähnt, um vor  in dieser Hinsicht emotionalen Überlegungen zu warnen.

Für mich stellt dieses gewissenhafte Buch eine Beruhigung dar: In Ruhe kann man nun den Werdegang des Euro und seine Auswirkungen in Europa nachlesen – kaum jemand erinnert das alles noch exakt. Man kann die Entscheidungen der Regierung nun besser nachvollziehen, wird sich aber von dem Warnblaut: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa” nicht mehr entsetzt hochschrecken lassen, als stünde der Weltuntergang deutlich bevor.

Man könnte auch ohne – aber ist das auch klug und weitsichtig genug? Die Frage mag auch Sarrazin nicht eindeutig beantworten. Nicht zuletzt geht es ja – gegenwärtig zumindest – auch um unser Geld. Und da wird man schon so manchen Kompromiss finden müssen, um dies für die gegenwärtigen Generationen irgendwie zu sichern. Nach Lektüre dieses Buches aber ist man – was Zahlen und Fakten anbelangt – außerordentlich gut informiert.  Und wenn es um Geld geht, geht es auch um Ausbildung, Arbeit und Arbeitslosigkeit. Insbesondere auch um die Jugendarbeitslosigkeit, bei der europaweit jetzt eine ganze Generation – wenn man nicht aufpasst – für die dringend benötigten Fachkräfte wegfällt. Ein unbeschreibliches Drama, nicht nur wegen der sich entwickelnden Alterspyramide.

Es geht aber auch um Transparenz: Am Erfolg der Piraten sieht man, dass sich dort Bürger offensichtlich zusammenfinden, die mehr Ein- und Übersicht wünschen, obwohl die Piraten bislang mehr oder weniger kein Konzept haben, als das dunkle Gefühl, man müsse mehr mitdenken und –wirken können.  Das sollte auch in letzter Konsequenz zu besserer Wahlbeteiligung führen und dazu, dass man beim Wählen auch darauf achtet, dass nur qualifizierte Personen in den Bundestag kommen. Nett sein allein reicht eben nicht.

Wenn man sich in Wikipedia Sarazins Lebenslauf durchliest: Er war immer von Querelen begleitet, hat aber auch einiges auf die Füße gebracht. Das tut er auch mit diesem Buch in gewohnter Manier: Es ist rundherum lesenswert – auch wenn ich vielleicht bislang die Einzige bin, die das einfach mal so sagt.