„Übrigens, das braune Samtkostüm ist von Yves Saint Laurent.
Das musste sein …“

teilt Alice Schwarzer genüsslich mit, – las man doch 1975 im Stern unter dem Titel ‘Der Männerschreck. Oder wer hat Angst vor Alice Schwarzer?’ und beginnt mit den Zeilen: ‘Sie gebraucht weder Lippenstift noch Büstenhalter,  schmucklos sind ihre Kleider, weit geschnitten, wadenlang, hängig.’ Auf den Bildern, die auch diesen, den letzten Abschnitt ihres Buches ‘Lebenslauf’ begleiten, ist sie eine äußerst attraktive, junge Frau (33), auf einer Lesung in Offenbach nicht nur mit Lippenstift, auch noch mit Wimperntusche! Und in diesem Jahr 1975 endet auch ihr ‘Lebenslauf’ – mit dem größten Abenteuer ihres Lebens: Sie hat EMMA gegründet, die erste feministische Zeitschrift in Deutschland.

Selbst nur vier Jahre älter als Alice Schwarzer stehen Seite für Seite die in ihrem Buch plastisch und lebhaft geschilderten damaligen Verhältnisse ihrer Kindheit und Jugend vor meinen Augen. Das ist/war eine Zeit, die sich heute niemand mehr vorstellen kann. Sie selbst kündigt Ihren Lebensbeginn so an:  “Ich bin am 3. Dezember 1942 in Wuppertal-Elberfeld geboren. Wenige Monate später wurde die Stadt bombardiert und meine Familie in ein Dorf nach Franken evakuiert, wo ich im Herbst 1948 zunächst auch eingeschult wurde. 1950 zogen wir zurück nach Wuppertal”-

Jetzt, im Jahre 2011 bewegt  sie in ihrem 69. Lebensjahr eine Frage: “Was hat mich geprägt?“ Und: „Was habe ich daraus gemacht?“. Wie ist Alice Schwarzer die geworden, die sie ist? Und vor allem: Wer ist sie überhaupt?

Als Autorin hat Alice Schwarzer hat zahlreiche Porträts und Biografien geschrieben, u.a. über Gräfin Dönhoff und Romy Schneider. Und so, wie bei den von ihr Portraitierten will sie auch bei sich selbst vorgehen – und ist

neugierig, was dabei so ans Tageslicht kommen könne. Was dabei alles ans Tageslicht gekommen ist, können wir nun auf 462 Seiten und zahlreichen Bildern nachvollziehen.

Tatsächlich hat Alice Schwarzer ungeheuer viel aus ihrem Leben gemacht und hat überdies das Leben in Deutschland nachhaltig verändert. Und das wirklich völlig aus eigener Kraft! Sie wird zu den ganz Großen unserer Zeit zählen! Insbesondere Frauen, die so leicht zu Resignation neigen,  sollten diesen ‘Lebenslauf’ lesen. Nahezu jeder hat nämlich von Geburt an ‘alles dabei’, was im künftigen Leben vonnöten ist. Das Fundament dazu  wird aber in Kindheit und Jugend gelegt.

Damals, als sie unehelich geboren wurde, war das etwas Ungeheuerliches, absolut Unerlaubtes. Ein Makel. Obendrein hatte ihre Mutter kein besonderes Interesse an ihrem Kind. Doch: Schicksal kennt auch ‘Ausgleichsfügungen’; sie wurde von ihren Großeltern großgezogen, die gegensätzlicher kaum sein konnten. Den Part von Liebe und Zuneigung übernahm ihr Großvater. Er war es, der sie mit seiner Liebe wie in Drachenblut tauchte; was sie später zu erdulden hatte an öffentlicher Häme, war an Gemeinheit nicht zu überbieten. Mich wundert immer wieder, wie Alice Schwarzer all das heil überstehen konnte. Aber – bis dahin erstmal zu kommen … (als ob man sich sowas überhaupt wünschen könne), davon handelt dieses Buch: ehrlich, sachlich; zunächst ja alles ‘ziemlich normal’, jedenfalls für die letzten Kriegsjahre und was danach kam, wo die heute undenkbarsten Dinge eben die Normalität waren. Und niemand wunderte sich.

Ihren ‘Lebenslauf’ widmete sie übrigens ihrem Großvater, Ernst Schwarzer,  den sie ‘Papa’ nannte. Die Großmutter war ‘Mama’, die Mutter ‘Mutti’. So, wie ihr Großvater ihr ein ganz unglaubliches Maß an innerer Lebenssicherheit mitgab, war ihre Großmutter die Politischere, Streitbarere; ´diese  ist stolz darauf, in zwölf Jahren Nazizeit nicht einmal ‘Heil Hitler’ gesagt zu haben.  – Ihre Gene schlummern in Alice Schwarzer, die sich zunächst darüber keine Gedanken macht. Alice Schwarzer Schulfoto 10 Jahre

Zunächst ein kleines Mädchen wie Tausende andere auch. Umzug nach totaler Ausbombung, deren Schulzeit nach eigener Auskunft relativ chaotisch war.  “Mit 16 habe ich die Handelsschule abgeschlossen und war bis 1963 in diversen Büros tätig: im Autoersatzhandel in Wuppertal, im Marktforschungsinstitut in Düsseldorf, im Verlag in München. Was mich zunehmend frustrierte. Mit 21 fasste ich den Entschluss, Journalistin zu werden und ging zunächst für zwei Jahre nach Paris, wo ich auf der Alliance Française Französisch studiert und mich mit diversen Jobs durchschlug: von Putzstellen über Babysitting bis zu Tippjobs bei deutschen Emigranten.”

Gemessen an der hier deutlich werdenden Energie …. mit dem zunächst wenigen Gelernten immer erneut etwas daraus machen, immer für sich selbst verantwortlich zu sein und dann der entscheidende ‘Umzug’ nach Paris. Paris sollte ihre Schicksalsstadt werden. Eine neue Art von Heimat, eine neue Kraftquelle – und auch die ihrer großen Liebe.

Ihr  Buch ‘Lebenslauf’ ist, wie es sich für einen solchen gehört, ordentlich nach Jahren gegliedert. Und jedem Zeitabschnitt angehängt sind Fotos aus der jeweiligen Zeit. So wissen wir dann auch, wie der ‘Papa’, die ‘Mama’ und die Mutti ausgesehen haben. Letzte meist übrigens immer schick, oft mit Hut. Ja, damals trug ‘Mann’ , aber auch Frau noch Hüte.

Ich werde hier nicht einfach den Schwarzer’schen Lebenslauf nacherzählen; viele kennen ihn ja bereits zumindest stichwortartig, sondern lieber etwas etwas von dem berichten, was in diesem Buch zwischen den Zeilen steht. Hier treffen nämlich Charaktereigenschaften aufeinander, die vielen unvereinbar zu sein scheinen in einer Person. Das eine ist ihre Sensibilität, ihr nahezu sechster Sinn für Gerechtigkeit, für das Erkennen von Notsituationen – besonders von Frauen – in die diese hineingeraten können, ohne sie selbst durch irgendetwas verursacht oder mitverschuldet zu haben. (Ich komme darauf noch zurück.) Das andere ist ihre unglaubliche Energie, die sie dazu führt, neugierig zu sein und ständig zu erkennen, dass sie (wieder einmal, immer erneut) etwas Neues hinzulernen, sich aneignen muss. Ihre Energie, die sie zu Freundschaften befähigt, und die, gepaart mit absoluter innerer Ausgewogenheit, auch ein gerüttelt Maß an Humor ermöglicht. Alice Schwarzer lacht gern! Feiert gern, tanzt gern, kocht gern, liebt es, Gäste zu haben und zu diskutieren. Lesen, lernen, diskutieren, ‘nebenher’ den Lebensunterhalt verdienen und sich dabei, Schritt für Schritt, ‘hochzuarbeiten’. Zu dieser Energie gehört aber auch Härte: Zuallererst sich selbst gegen über, immer mehr aber auch, wenn es gilt, das ganz spezielle Wissen, das sie sich aneignet, nicht mehr nur Theorie und ‘Wissen’ zu sein, sondern zu Ergebnissen zu führen. Je länger ich darüber nachdenke, meine ich, dass ihr Ehrgeiz für sich selbst im Grunde fehlt. Der treibt sie nicht an; wohl aber die ‘Sache’.

Ich kann nicht verleugnen, sie im Verlauf der Jahre immer mehr bewundert zu haben; nicht zuletzt deswegen habe ich ihren ‘lebenslauf’ – der blendend geschrieben ist – mit unglaublicher Spannung gelesen. Wenn dieser ‘Lebenslauf’ ehrlich ist, habe ich beim Beginn des Buches gedacht, muss irgendwann der Punkt kommen, wo auch sie selbst den Preis nahezu aller engagierter, extrovertierter, immer mehr ihrer Arbeit verschworener Frauen zu zahlen hat.  Überwiegend Frauen müssen diesen Preis zahlen: Man zahlt ihn in vielerlei Münzen – Verlust eines Lebenspartners, der nicht mehr mithalten kann, Verzicht auf Kinder (die man sich eigentlich mal gewünscht hat), und am Ende – wenn man Glück hat und in ruhigeres Fahrwasser gerät – findet man einen ‘Lebenspartner’ – wieder jemand, der es ermöglicht, dass das inzwischen doch dünn gewordene ‘Drachenblut’ vom Großvater sich wieder regenerieren kann. Auch die erste große Lebensliebe Alice Schwarzers ‘Bruno’, mit dem sie anfangs so viele Interessen teilte und der auch das Leben – zumindest das in Paris – mit ihr teilte und das gern, irgendwann driften ihre Leben auseinander. Nicht im Streit, man wird sich einfach immer ferner. Freundschaft bleibt.

Alice Schwarzers Lebenslauf könnte man mit einer Art Bahnreise vergleichen: Immer wieder muss sie umsteigen, um zu ihrem Ziel zu kommen, das sie ja anfangs selbst gar nicht kennt.

1966/67 fing das mit dem Umsteigen so an: “(…) volontierte ich bei den Düsseldorfer Nachrichten, arbeitete dort noch einige Monate als Redakteurin und ging dann als Reporterin zu Film und Frau in Hamburg . Dort hielt es mich nur wenige Monate, da mir die Arbeit zu unpolitisch war.
1969 begann ich als Reporterin bei Pardon, dem satirischen Magazin, das damals zusammen mit konkret als eine der beiden Foren der Apo (Außerparlamentarische Opposition) galt. Ich war in der Redaktion der erste weibliche Journalist und als Nachfolgerin von Günter Wallraff nun zuständig für Rollenreportagen: von der Arbeiterin am Fließband bei VDO bis zur Urlauberin im Spaß-Club Méditerranée in Agadir. (…)
(…) Ab Herbst 1970 wurde ich eine der Pionierinnen, die die Pariser Frauenbewegung (MLF – Mouvement pour la libération des femmes) initiierten. Die Zeit war reif. Wir hörten von Women’s lib in Amerika, und auch die Dollen Minnas in Holland machten schon von sich reden.  (…)
Ich hatte „Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir gelesen und den „Weiblichkeitswahn“ von Betty Friedan

Erinnern Sie sich noch an an die nebenstehend abgebildete Stern-Aktion? Spätestens jetzt war Alice Schwarzer eine ‘Person’ – : ihre frühen feministischen Aktionen gegen den
§ 218 und den Skandal über ihr Buch vom  „Kleinen Unterschied“. Abtreibung wurde landauf landab  offen diskutiert – und natürlich waren ‘alle’ dagegen. Eine Änderung des § 218 wurde diskutiert – ganz Forsche wollten diesen Paragraphen weitgehend abschaffen, natürlich musste die Kirche dagegen sein.  Langes Hin und Her führte dann zu der heute üblichen Form, dass vor jedem Abbruch eine Beratung Pflicht wurde.  Hätte man das totale Verbot beibehalten, wäre dennoch weiterhin abgetrieben worden, millionenfach, unter oft lebensgefährlichen Folgen für das Leben der Frauen und unter entwürdigenden Situationen für die Frauen.

Auch ihr Buch vom ‘Kleinen Unterschied’ – nämlich den zwischen Frauen und Männern,  wirkte für viele anrüchig, war aber ein wichtiger Grundsatzbeitrag zum Verständnis dessen, in welchen Punkten sich Mann und Frau sexuell unterscheiden. Im ‘kleinen Unterschied’ konnte man es sachlich fundiert nachlesen – – und endlich auch begreifen. Auf dieser Grundlage wagte man endlich, auch über ‘solche’ Themen zu reden. (Ich warte noch heute auf die Aufklärung durch meine Mutter!)

Frauen begannen zu begreifen, dass sie auch Rechte hatten. Dass es sie überhaupt gab, dass sie mehr als die Hälfte der Mensc hheit ausmachen. Dass sie eine Meinung haben durften, aucvh wenn es nicht dies ihres Mannes war. Nicht in allem erst ihren Mann um ‘Erlaubnis’ bitten zu müssen, dies oder jenes zu tun, z.B. eine Arbeit annehmen zu ‘dürfen’. Das war ja alles nicht nur gut für die Frauen, es war auch gut für die gesamte Bevölkerung. Aber zunächst war das ja alles ziemlich neu und ungewohnt.

Jetzt, wo eine ganz neue Generation heranwächst, wo immer mehr Väter sich aktiv am Familienleben beteiligen, ist das, wie es einstmals war, völlig unverständlich. Aber in Anfängen lag es bereits als Keim in den Menschen; nach dem Krieg waren es ja die Frauen, die – oft ohne ihre Männer – alles wieder aufgebaut hatten. Jetzt musste nur noch jemand kommen, der Wort und Stimme für diese Situation  brachte.

“Ich exportierte die Idee [der Pariser Frauenbewegung] nach Deutschland. Dort gab es zu dem Zeitpunkt weder eine Frauenbewegung und noch massiven Protest gegen den § 218. Es gelang mir trotzdem, 374 Unterschriften zusammenzukriegen: bei Freundinnen, Kolleginnen, Hausfrauen, Studentinnen und einem Dutzend Prominenter (darunter Romy Schneider und Senta Berger), sowie mit Hilfe von zwei linken Frauengruppen. Das provokante Bekenntnis wurde am 6. Juni 1971 im Stern veröffentlicht und löste eine Lawine des Protestes gegen das Abtreibungsverbot aus. Zehntausende Unterschriften folgten: gesammelt im Wohnviertel, an Universitäten, in Büros. Das Schweigen war gebrochen. Nun redeten Frauen über sich, ihre Ängste und Träume. Das Bekenntnis der 374 wurde zum Auslöser endlich auch einer Frauenbewegung in Deutschland.

1974 ging ich [von Paris] zurück nach Deutschland, zunächst nach West-Berlin. Von da aus übernahm ich 1974/75 einen Lehrauftrag an der soziologischen Fakultät Münster, machte mehrere große Funkfeatures über die Neue Frauenbewegung oder die zersplitterte westdeutsche Linke und bereitete mein drittes Buch vor.

Der Kern meines politischen Denkens war inzwischen klar: Ich war und bin für eine uneingeschränkte Chancengleichheit von Frauen und Männern und gegen jegliche Hierarchie und Festlegung von Rollen. Damit stehe ich in der Tradition der heute so genannten „Gleichheitsfeministinnen“ (die in der Ersten Frauenbewegung „die Radikalen“ hießen), also der Universalistinnen – im Gegensatz zu den Differenzialistinnen).

Im September 1975, erschien bei Fischer „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“. In diesem Buch steht die Rolle von Liebe und Sexualität bei der (Selbst)Unterdrückung der Frauen im Mittelpunkt. Diesmal befragte ich 17 Frauen, wieder in unterschiedlichen Lebenslagen.
Der Identifikationseffekt war weitaus höher als erhofft: Das Buch wurde aus dem Stand zum Bestseller und ist seither ein bis heute immer wieder neu aufgelegter Longseller. Es wurde in zwölf Sprachen übersetzt und erschien damals u.a. in Japan und Brasilien, zuletzt 2001 in Südkorea. Ich begriff: Die von mir im „Kleinen Unterschied“ analysierte Problematik ist universell.”

Ich habe hier weithin Alice Schwarzer selbst zu Wort kommen lassen. Wozu sollte ich mit meinen Worten beschreiben, wofür ich sie so bewundere ? Vor allem, erheblich ausführlicher berichtet sie über diese bewegten Jahre ja auch in ihrem ‘Lebenslauf’, den man geradezu verschlingt, hat man erst angefangen, ihn zu lesen. Das alles ist ja tatsächlich passiert; jüngere Menschen können kaum noch nachvollziehen, wie sehr sich die Grundlagen unseres Zusammenlebens in dieser Zeit verändert haben.
Aber Alice Schwarzer hatte auch Feinde, wie in einem Bericht (Christian Schultz-Gerstein, Die Zeit, 16.7.76 )damals nachzulesen ist:, in der der Autor empört darüber berichtet, was sich damals in der Medienwelt so tat.

A”lice im Staate der Männer
Kopf ab, Schwarzer: Wie Journalismus zur Menschenjagd wird
(…) So geht das nun seit Monaten: „Hexe mit dem stechenden Blick (Bild), „frustrierte Tucke“ (Süddeutsche Zeitung) „Nachteule mit dem Sex einer Straßenlaterne“ (Münchner Abendzeitung). Und ein Ende der Beschimpfungen, die so offenkundig kein anderes Ziel haben als das, die deutsche Frauenrechtlerin Alice Schwarzer solange zu demütigen, bis sie es endlich gefressen hat, dass sie ihre Schnauze halten soll, ein Ende dieser bisher längsten und perfidesten journalistischen Menschenjagd in der Geschichte der Bundesrepublik ist nicht abzusehen. Denn Alice Schwarzer hat immer noch nicht abgeschworen, darum muss sie weiter büßen nach dem Motto: Mit dir werden wir schon noch fertig werden. (…)
Vorige Woche traten nach den Journalisten zur Abwechslung wieder einmal deren Leser, diesmal die Spiegel-Leser, zur Exekution an. Der Betriebswirt Hans Lochbaum aus Karlsruhe schlug vor, zur Beseitigung der Frauenrechtlerin – denn nur um die Frage, wie man diese „Hexe“, die sich unverschämterweise unter uns Arier mengt, am besten loswird, nur darum geht es noch -, der Herr Lochbaum schlug also vor, ein Mann müsste her, „es der Alice zu besorgen, dass die Heide weint -, ich wette, Deutschland hätte eine ‚Frauenrechtlerin‘ weniger. Joachim Böttger aus München dagegen versucht es, einmal noch, im Guten, Alice Schwarzer zum Verschwinden zu bewegen, indem er sie höflich, wenn auch mit hörbar bebender Stimme, die nichts Gutes ahnen lässt für den Fall des Ungehorsams, auffordert: Verschonen Sie uns in Zukunft bitte mit diesem unausgegorenen, orthodoxen Scheißdreck. (…)”

Nicht nur Männer, sondern auch Frau machten es Alice Schwarzer oft ziemlich schwer. Frau, die nicht genügend nachgedacht hatten oder sich ein Frauenleben außerhalb ihres gesicherten Lebenshorizontes nicht hineinversetzen konnten. Für die nur das Wort ‘Abtreibung’,  aber nicht der Begriff ‘Selbstbestimmung’ wichtig war, nämlich das Recht jeder Frau, die Grenzen ihrer Kräfte selbst zu erkennen und selbst zu bestimmen. Und wirklich bis heute setzt sich diese Art des Denken bis heute mühsam, aber unaufhaltsam fort: Es geht nicht nur um Frauen, es geht um Menschen und   ihre  Rechte.

“Direkt nach dem „Kleinen Unterschied“ begann ich mit der Vorbereitung einer unabhängigen feministischen Zeitschrift, die ich seit 1972/73 im Visier hatte: als der Boykott engagierter Journalistinnen in den Medien immer härter wurde. Meinem Aufruf „an alle Frauen“ im Frühling 1976, arg naiv geschickt an alle Frauenzentren, folgte ein Vorbereitungstreffen im Sommer 1976 und eine Welle von Intrigen gegen EMMA aus den Reihen der Frauenbewegung noch vor Erscheinen der ersten Ausgabe.

EMMA Cover 1 / 1977Für EMMA zog ich von Berlin nach Köln. Die erste Ausgabe erschien am 26. Januar 1977, Startauflage 100.000 – weitere 100.000 wurden in der ersten Woche nachgedruckt, weil die Nachfrage so groß war. Zur Klarstellung: Finanziert hatte ich EMMA mit 250.000 DM vom „Kleinen Unterschied“ und zwei Krediten von Mitarbeiterinnen von je 10.000 DM (übrigens ungefragt zurückgezahlt mit 10 Prozent Zinsen nach einem Jahr).

Aber der „Kleine Unterschied“ brachte mir nicht nur Freude, sondern auch Stress. Nun war ich in Deutschland endgültig DAS Symbol für die Emanzipation der Frauen. Teile der Frauenbewegung waren sauer auf den „Star“ oder ganz einfach politisch anderer Meinung, eben Linke oder Differenzialistinnen (was allerdings nicht thematisiert wurde). Und die Medien eröffneten eine regelrechte Hexenjagd.

– bis hier, zur EMMA-Gründung geht nun auch ihr ‘Lebenslauf’.

Es gibt wohl kaum eine Person des öffentlichen Lebens in Deutschland, die über Jahrzehnte in einem solchen Übermaß Bewunderung und Aggressionen erfahren hat und erfährt wie Alice Schwarzer. Sie ist die Stimme in Deutschland für die Rechte der Frauen. Zugleich ist sie einer der herausragendsten Journalisten und Essayisten des Landes, Autorin zahlreicher Bestseller und Blattmacherin. Ihre Leidenschaft, ihre Konfliktfähigkeit
und ihr kämpferischer Elan sind Legende. In dieser Autobiografie erfahren wir, was die Wurzeln und Prägungen von Alice Schwarzer sind und wie sich daraus die Motive ihres Lebens entwickelt haben.Alice Schwarzer bei einer Lesung

Fünfzehn glänzende Kapitel. Das macht den biographischen Rückblick von Alice Schwarzer so unbedingt lesenswert.

FAZ Die Alice Schwarzer kannte man so bislang noch nicht. Die Zeit Sie ist eine Frau, die brennt. Der Tagesspiegel Wenn das keine Frau ist, mit der sich neue deutsche Mädchen und Postpostfeministinnen identifizieren können. TAZ Die Autobiografie von Alice Schwarzer ist eine Sensation. Welt am Sonntag Spannend, authentisch, berückend. Literarische Welt Ihre Lebensgeschichte ist die Geschichte eines grandiosen Aufstiegs und eines noch grandioseren Bestehens über Jahrzehnte. Stern

Ingeborg Gollwitzer

 

Zur Autorin: Alice Schwarzer, geboren 1942 in Wuppertal, Feministin, Journalistin und Essayistin (Herausgeberin von ‚Emma‘), ist seit 1975 eine erfolgreiche Buchautorin mit zahlreichen Übersetzungen. 2008 wurde sie mit dem Ludwig-Börne-Preis ausgezeichnet.

Schwarzer, Alice :   Lebenslauf .  2011 .   461 S.   m. Fotos .   978-3-462-04350-1    �
– Kiepenheuer & Witsch –     GEB        22.99 EUR