Essays über Andersen, Borges, Canetti, Chesterton, Mann, Kafka, Lampedusa, Mann, Musil, Nabokov, Powell, Proust, Woolf.

 

Seinen Titel hat diese bemerkenswerte Essay-Sammlung von Kafka: In einem Fragment schreibt dieser: “Leoparden brechen in den Tempel ein und saufen die Opferkrüge leer; das wiederholt sich immer wieder; schließlich kann man es vorausberechnen und es wird ein Teil der Ceremonie.” Warum Kafka das schrieb ist ebenso rätselhaft, wie nahezu alles, was wir von Kafka lesen können. Und um eben dieses Rätelhafte geht es in diesem Essay.

Hans-Christian Andersen und Marcel Proust gehören ohnehin zu den Lieblingen von Michael Maar. Aber auch natürlich Nabokow, Borges – und eigentlich alle in diesem Band besprochenen Autoren. Fast alle Essays sind zuvor schon einmal in den großen Feuilletons veröffentlicht worden, und für diesen Band nochmals überarbeitet. Erstveröffentlichungen sind Thomas Mann, Tomasi de Lampedusa,

Es ist eine Lust, diese gefeilten und gezirkelten Beiträge zu lesen, weil sie einen anregen, sich den einen oder anderen Autor nochmal oder überhaupt erst vorzunehmen; denn Michael Maar ist selbst ein süchtiger Leser und wirkt geradezu ansteckend auf die, mit denen er in Berührung kommt.

In jedem Essay wird uns auch etwas über den jeweiligen Autor als Mensch erzählt. Oft denkt man sich ja beim Lesen: Wie ist dieser oder jener Autor so als Mensch, im Alltag gewesen, was würden wir erleben, wenn wir ihn beobachten könnten?

 

Dieser außerordentlich lebendige Reigen von Lebensbildern ist farbiger und lebhafter als jede DVD! Wir erleben die Stärken, Schwächen, Besonderheiten, Schrullen derer mit, die große Literatur geschrieben haben. Gar manches Buch versteht man so besser, wenn man sich vorstellen, welche Person es war, deren Bücher, Erzählungen oder Romane wir gelesen haben.

Schon der Beginn jedes seiner Essays verspricht, was er dann auch einhält: Es wird spannend! Das Kapitel AUEROCHSEN UND ENGEl über Vladimir Nakokov beginnt so: “Wenn man ein Kind nicht regelmässig an den Türpfosten stellt und mit einem Bleistiftstrich seine Größe Markiert, merkt man kaum, wie es mit den Jahren in die Höhe schießt. Vladimir Nakokov hat man schon lange nicht mehr markiert. Unterdessen ist er zum Riesen gewachsen.” 

Nein, der Blick durch auf das Privatleben der großen Schriftsteller ist oft verhüllt, aber einen Ein-Blick zu bekommen, hat noch keinem geschadet. Im Gegenteil: Es ist schließlich der Blick in die mehr oder weniger geheimen Ecken der Werkstatt, wo die großen Rätsel der Weltliteratur entstehen, und er verleiht auch Michael Maars biographischen Porträts ihren mitreißenden Schwung.

Exzellente Literatur entsteht nicht, ohne dass auch Charaktereigenschaften der sonderbarsten Art dahinterstehen, und hier werden sie ausgebreitet: Robert Musil war ein unangenehmer Vogel, Prousts Großzügigkeit stand an epischen Ausmaßen seinem Romanwerk in nichts nach, Thomas Mann war tatsächlich mit dem Teufel im Bunde, und Canetti? Ach, Canetti! Gerade wer sie alle zu kennen meint, sollte diese Essays lesen, die im Übrigen selbst sind, was sie beschreiben: Exzellente Literatur.

Für die London Review of Books ist Michael Maar der “begabteste deutsche Literaturkritiker der jüngeren Generation.”

 

Leoparden im Tempel , von Maar, Michael; Halbleinen  126 S. 23 cm 333g , in deutscher Sprache.  
2007   Berenberg Verlag ISBN 3-937834-20-6  ISBN 978-3-937834-20-7 |