Biographie eines der ungewöhnlichsten politischen Menschen der Zeitgeschichte

Shimon Peres>

Es gibt eine Grundüberzeugung von Shimon Peres, die mich – ganz abgesehen von seiner Biographie und seiner Politik – am meisten beschäftigt hat:

„Von meiner frühesten Jugend an habe ich begriffen, dass – ausser dass man alle Schritte seines Lebensweges sorgfältig planen muss – man berechtigt ist einem Traum zu folgen: Man kann sich entsprechend seines Lebensalters alt fühlen, aber dennoch so jung bleiben, wie sein Lebenstraum.“

Er wurde am 2. August 1923 in Polen geboren, aber wenn man ihn – wie kürzlich – in einem Fernsehinterview beobachtet, ist es ein junger Mann, der da spricht, der immer noch irgendwie überzeugt ist, dass er seine Vorstellungen verwirklichen kann. Er spricht begeistert von all dem Neuen, was sich derzeit anbahnt, und er empfindet alles als eine neue Zeit, in der Wissen und Lernen allein die Grundlage sind, die Welt zum Besseren zu entwickeln. Aber sein Leben hat viele Facetten, die man nun nachlesen kann:

Der Weltpolitiker Shimon Peres gehört zu den außergewöhnlichsten und kontroversesten Figuren des Zeitgeschehens: Der »ewige Politiker« prägte das zionistische Projekt sowie die israelische Politik und Geschichte seit den 1950er Jahren bis heute wie kein anderer.

Ebenso souverän wie scharfsinnig schildert und deutet die Autorin ein scheinbar widersprüchliches Leben: Der Friedensnobelpreisträger (mit Yitzhak Rabin und Jassir Arafat und 2008 wurde er von Königin Elisabeth II. in den Adelsstand erhoben und erhielt aus ihrer Hand im Buckingham Palace das Große Kreuz des Ordens vom Heiligen Michael und Georg (GCMG) ist zugleich Vater der israelischen Atomstreitmacht; der Zivilpolitiker prägte das militarisierte Israel; der »Mann des Friedens« steht für Israels Tragik der Friedensunfähigkeit.

Peres’ politischer Werdegang erzählt die Geschichte der Durchsetzung des Zionismus und gleichzeitig seines Scheiterns; er verkörpert das politische Ringen um Sicherheit und Legitimität, zeigt aber ein Israel, das eine politische Lösung mit den Palästinensern längst aufgegeben hat.

Auf der Grundlage auch kaum bekannter Quellen wirft diese intellektuelle Biographie ein neues Licht auf die politische Kultur Israels und auf einen der schwierigsten Konflikte des 20. und 21. Jahrhunderts.

Eine derart sorgfältige, politische Biographie, in der derart viele zeitgeschichtliche Zusammenhänge klar werden, haben wir schon lange nicht mehr gehabt. Auf die Diskussion um dieses Buch können wir gespannt sein – und man sollte es daher unbedingt selbst gelesen haben.

Ingeborg Gollwitzer