Eine Anatomie des rechten Terrors in Deutschland und des unfähigen BND  also wohl eher:knm02pua “Heimatschutz???

Wer dies Buch gelesen hat, schreibt “Heimatschutz???” künftig nur noch in Anführungszeichen und mit drei Fragezeichen.

Und: Leider muss jeder dieses Buch lesen – denn es beschreibt den Kampf gegen einen (für uns unvermuteten) wirklichen Feind. Der umgibt uns  sozusagen bei jedem unserer Schritte– ohne dass wir die geringste Ahnung davon haben. 

Wir müss(t)en also geschützt werden. Jeder. Ohne Ansehen auf Hautfarbe, ‘Rasse’, Religion,  usw. usf. Denn ganz selbstverständlich hat wohl jeder angenommen, dass es dafür auch in unserem Land eine verdeckt arbeitende Institution gäbe, die das besorgt. Eventuell mit der Polizei.

Welch ein Irrtum!  Mindestens dreizehn Jahre funktioniert da so ziemlich alles NICHT! 

Ganz offensichtlich war zuletzt dies:  Keiner sagt z.B. der Kanzlerin, dass sie abgehört wird. Muss erst ein Snowden kommen? Wir haben doch einen BND – dachten wir. Nun sieht alles ganz anders aus.

Die Mitglieder des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund = NeoNazis!) konnten dreizehn Jahre im Untergrund leben, dabei zehn Menschen umbringen, über ein Dutzend Banken überfallen und mutmaßlich drei Sprengstoffanschläge begehen. Dabei wurden sie gerade in den ersten Jahren von mehreren Geheimdiensten gesucht, sie waren umstellt von Verrätern, den V-Männern des Verfassungsschutzes.

Warum hat man sie nicht entdeckt? Was lief schief? Das Buch Heimatschutz rekonstruiert die erfolglose Jagd detailliert, spannend, kontrovers.

Am 6. Mai 2013 begann vor dem Oberlandesgericht München der Prozess gegen die (verstummte) Beate Zschäpe und weitere Angeklagte, die mit der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in Verbindung gebracht werden.

Diese Mordserie endete mit dem mutmaßlichen Selbstmord von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in ihrem Wohnmobil in Eisenach im November 2011.

Seit der Festnahme Zschäpes, die sich nach dem Selbstmord (?) der beiden gestellt hat,  und einer beispiellosen Serie von Aktenvernichtungen und V-Mann-Enttarnungen rätseln die ermittelnden Behörden und die deutsche Öffentlichkeit, was genau sich in all den Jahren zwischen 1994 und 2011 in der rechten Szene zugetragen hat.

Nun also dieses Buch: Wo der Prozess bislang wenig ans Licht bringt, haben Stefan Aust und Dirk Laabs umso gründlicher recherchiert. und enthüllen in einer genauen Chronik der Ereignisse die fast unglaubliche Geschichte des Rechtsterrorismus in Deutschland.

Es war wohl das blanke Entsetzen der Autoren, dass sie immer gründlicher zu recherchieren anhielt, bis sie einen fast minutiösen Bericht aneinanderreihen konnten..Dabei entdeckten sie auch den Grund für die – alle verwirrenden – plötzlich geschredderten Akten.

Alle, die von einem geordneten Rechtssystem in Deutschland felsenfest überzeugt waren – das Allerselbstverständigste in unserem Dasein – begannen ab sofort, alle Nachrichen in Presse, Rundfunk und Fernsehen zu hinterfragen: Was ist wohl die Wahrheit? Was steckt wohl dahinter? Unser blindes Vertrauen hat tiefe Risse bekommen.

Mehr als zehn Jahre zogen die Protagonisten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ durch Deutschland, ermordeten aus rassistischen Motiven mindestens zehn Menschen, begingen 14 Banküberfälle und verübten mindestens zwei Bombenanschläge. Fest steht: Weder die Polizei noch die Verfassungsschutzbehörden haben die Taten des NSU verhindert. Mehr noch: Bis zum Tod der beiden Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 4. November 2011 scheinen die Behörden nicht einmal einen rechtsradikalen Hintergrund vermutet zu haben.

Besonders widerlich erscheint es mir, dass man zunächst Morde aus dem Milieu mit  migrantischem Hintergrund vermutete bzw. durchblicken ließ – ein Umstand, der die Hinterbliebenen der Mordopfer zusätzlich zutiefst beleidigte. Aber Stefan Aust und Dirk Laabs gehen in dem Buch „Heimatschutz“ zum NSU der dubiosen Rolle des Verfassungsschutzes nach. Sie bezweifeln stark, dass dieser nichts vom Terrortrio wusste.

Die Recherchen setzten ein am 1. September 1992,  und nach mehr als 100 Interviews und einer akribischen Auswertung der Anhörungen im NSU-Untersuchungsausschuss sowie vieler weiterer Quellen, halten die Autoren schlicht für undenkbar, dass der Verfassungsschutz nicht darüber im Bilde war, was die Terrorzelle trieb und wer dahintersteckte. Sie schildern auch den (zum Teíl geschichtlich entwickelten) inneren Aufbau und die Zusammenarbeit der Verfassungsschützer da sind offensichtlich Pannen vorgezeichnet , womöglich beabsichtigt. (Im Anschluss an diesen Text weise ich noch auf ein anderes Buch zu diesem Themenkomplex hin).

Es ist vor allem ein Satz, der Stefan Aust immer erneut beschäftigt:  Genauer gesagt handelt es sich um ein Zitat des Geheimdienstkoordinators und ehemaligen Vizepräsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Klaus-Dieter Fritsche. Die Worte fielen bei einer Anhörung des NSU-Untersuchungsausschusses und lauten:

„Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren.“

Womit sich auch teilweise das Schreddern von aktuellen Akten erklären lässt.  Dass nach der Lektüre dieses Buches  mehr Fragen als endgültige Antworten hervorgehen, scheint angesichts der dubiosen Rolle des Bundesamts für Verfassungsschutz und mancher nachgeordneter Landesämter geradezu unvermeidbar. So weist Aust zu Beginn der Pressekonferenz denn auch darauf hin, dass „dieses Buch ein Anfang sein soll und nicht das letzte Wort“.

Stefan Aust, geboren 1946, langjähriger Chefredakteur des „Spiegel“ und des von ihm mitbegründeten „Spiegel TV Magazins“, zuvor unter anderem Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks, vor allem für „Panorama“, ist seit 2009 als Filmproduzent, Medienberater und Teilhaber einer Fernsehproduktionsesellschaft tätig.

Dirk Laabs, geboren 1973 in Hamburg, ist Autor und Filmemacher. 2005 erschien von ihm „Tödliche Fehler – die Fehler der Geheimdienste vor dem 11. September 2001“. Sein Film „Die Fremden im Paradies – Warum Gotteskrieger töten“ wurde 2004 mit dem Dokumentarfilmpreis des BR ausgezeichnet.

Heimatschutz
von Aust, Stefan; Laabs, Dirk;
Gebunden Der Staat und die Mordserie des NSU. 864 S. 227 mm 1158g , in deutscher Sprache.
2014  
Pantheon
ISBN 3-570-55202-0  22.99 EUR

 

In diesem Zusammen noch ein weiteres Buch, das Sie mit Spannung lesen werden, weil es Ihnen viele weitere Einzelheiten berichtet:

 

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Bedingt dienstbereit
von Juretzko, Norbert; Dietl, Wilhelm;
Kartoniert
Im Herzen des BND – Die Abrechnung eines Aussteigers. Ullstein Taschenbuch Nr.36795 384 S. 18 cm 252g , in deutscher Sprache.

Mit schonungsloser Offenheit berichtet Norbert Juretzko über seine Tätigkeit bei der wichtigsten deutschen Spionagebehörde. Er enthüllt nicht nur skandalöse politische Verflechtungen des BND in den 90er Jahren sowie atemberaubende Pannen, sondern schildert auch, wie er mit seinem Partner Informanten der ehemaligen sowjetischen Streitkräfte angeworben hat – und wie ihnen ihre ehrenhafte Dienstauffassung letztlich zum Verhängnis wurde.

2005   Ullstein TB  ISBN 3-548-36795-X   ISBN 978-3-548-36795-8   9.99 EUR