JesusDer berühmte Regisseur ist vielen durch seine aufsehenerregenden Filme bekannt (u.a. Basic Instinkt) längst ein Begriff. . Aber schon als Kind haben ihn die Gestalt Jesus und die Widersprüche in der Bibel interessiert. Was lag näher, als zu überlegen, wie und ob er das filmisch realisieren könne.

Bislang ist ihm das nicht gelungen. Aber was er hier vorlegt, ist die Summe dessen, was er mit intensiver Bibellektüre und Gesprächen wie auch Büchern von Theologen herauszufinden vermochte. Um es gleich zu sagen: Es liest sich ausgesprochen spannend und fließend, wenn es auch weiß der Himmel nicht das erste Buch zu diesem Thema ist.

Und noch etwas möchte ich vorweg anmerken: Es ist kein Buch, das für jene zu empfehlen ist, denen die Bibel und insbesondere das Neue Testament immer wieder eine unerschöpfliche Quelle von Lebenskraft und Zuversicht ist. (Dafür eignet sich, auch diese Anmerkung sei mir erlaubt, nichts besser als eine mäßig revidierte Luther-Übersetzung in ihrer herrlichen Sprache.)

Bereits etwa 1904 schrieb Albert Schweitzer in seiner gründlichen Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, dass er der festen Überzeugung ist, dass das Bild des historischen Jesus sich im Verlauf der Zukunft noch ganz grundlegend ändern würde.  Und einer der letzten Sätze in Rudolf Augsteins bemerkenswertem Buch Jesus. Menschensohn lautet: „Man wüsste gerne in Prozenten, wie viele Kleriker und Theologen glauben, was sie sagen. Die Antwort lässt sich (nur, aber eben doch) ahnen…“

Bereits Kindern, wenn sie dann älter werden, ist das Geheimnis der Jungfrauengeburt Jesu einigermaßen fragwürdig. Aber wer macht sich dann später schon die Mühe und liest beispielsweise im Neuen Testament was dort von den einzelnen Evangelisten über das Leben Jesu berichtet wird. Vertrauensvoll überlässt man sich als Kind den Geschichten in einer der vielen Kinderbibeln, später sind es dann die Texte und Sätze, die einem von der Kanzel zu bestimmten kirchlichen Ereignissen vorgelesen werden: manchmal liest man sie später nochmals  in der Bibel nach. Es wird schon alles so sein, wie es dort steht.

Anders ergeht es jenen, die die Theologie ‚richtig‘ studieren und lernen, die Texte zu vergleichen und zu analysieren. Davon ist in den Büchern von u.a. Albert Schweitzer oder Rudolf Augstein ziemlich gründlich die Rede. Man könnte, wenn man die Zeit hätte, auch teilweise selbst darauf kommen, dass da einiges einigermaßen unlogisch ist, wenn man nämlich nur die vier Evangelisten miteinander vergleicht und sich klar macht, zu welchem Zeitpunkt (nämlich frühestens 30 – 40 Jahre nach Jesu Tod beginnend) sie geschrieben haben. Keiner von ihnen hat nämlich Jesus wirklich persönlich gekannt und erlebt, wovon sie berichten ist Hören-Sagen. Auch kannte keiner der Evangelisten die Texte, die ihre Vorgänger bereits vor ihnen erstellt hatten.
Und es kann gar nicht ausbleiben, dass man bereits zu diesem Zeitpunkt zu fragen anfängt: Warum und wozu eigentlich das alles?

Nach jahrzehntelangem gründlichen Forschen ist Paul Verhoeven zu dem Schluss gekommen, dass er den Jesus, dessen Leben er nur zu gerne in einem Film dargestellt hätte, so überhaupt nicht gegeben haben kann. Er nimmt wie viele Forscher vor ihm an, dass das öffentliche Wirken Jesu sich nur über Monate, vielleicht bis zu einem Jahr erstreckt haben kann. Er stellt ihn sich vor wie einen Rebellen (eines seiner Bilder ist Che Guevara) der einige Zeit großes Aufsehen erregt hat, der das mit vielerlei ‚Wundern‘,´’Gleichnissen‘ und Reden, die ihm vielfach erst nachträglich zugeschrieben wurden, bewiesen haben soll.

Und so deckt Verhoeven, bewusst provokant, nicht nur die kirchlichen Entstellungen (mit der man die Glaubwürdigkeit der Texte beweisen wollte), wie auch viele Verzerrungen und Lügen auf, und versucht – wie so viele schon vor ihm – eine historische Jesusfigur freizulegen, die „in ihrer durchaus rebellischen Strahlkraft zur Grundlage für einen widerständigen, da aufgeklärten christlichen Glauben werden könnte.“ Sein Buch enthält überdies viele Erläuterungen und sehr viel Literaturangaben.

Noch eine Anmerkung zum Schluss: Auch das Alte Testament hat ja über einen unendlich langen Zeitraum seine letztendliche Gestalt angenommen; aus welchen Wurzeln das gespeist wurde, kann – wen es interessiert – z.B. in dem großen Werk von Joseph Campbell, Die Masken Gottes nachlesen. Weder beim Alten noch  beim Neuen Testament lässt sich nicht mehr feststellen, dank wie vieler Redakteure, Geistlicher und Bearbeiter aus alten Quellen diese Texte letztlich entstanden sind. Es ist ein großer Chor, der da zusammengewirkt hat, um aus dem rächenden, strafenden Gott des Alten Testamentes zu dem gütigen, verheißungsvollen Gott des Neuen Testamentes zu gelangen, wie ihn die Menschheit nun dringend brauchte, um nicht Furcht und Verzweiflung anheim zu fallen.

Wie schon gesagt, liegt hier wieder einmal ein lesenswertes, interessantes Jesus-Buch vor, nicht für jedermann, aber für all jene, die viele Fragen nur zu gern beantwortet haben möchten.

Ingeborg Gollwitzer