Bevor ich das nun – wohlgemerkt weitgehend ungelesene – aber heftig diskutierte Buch Sarrazins “Deutschland schafft sich ab” – hier besprechen werde, muss ich es ja erst einmal selbst gelesen haben.
Heute allerdings erreicht mich eine Mail des Verlages mit folgender Erklärung Sarrazins:
Erklärung von Dr. Thilo Sarrazin vom 30. August 2010
Eine Interview-Äußerung von mir vom 29. August 2010 hat für Irritationen und Missverständnisse gesorgt, die ich bedauere. Als ich sagte, dass „alle Juden ein bestimmtes Gen teilen“, habe ich mich nicht hinreichend präzise ausgedrückt.
Ich bezog mich mit meiner Äußerung – wegen der Interviewsituation leider verkürzt – auf neuere Forschungen aus den USA. Ich bin kein Genetiker. Aber ich habe zur Kenntnis genommen: Aktuelle Studien legen nahe, dass es in höherem Maße gemeinsame genetische Wurzeln heute lebender Juden gibt, als man bisher für möglich hielt.
Damit ist keinerlei Werturteil verbunden, damit ist auch nichts über eine wie auch immer zu verstehende „jüdische Identität“ ausgesagt. Die Frage, was aus möglichen genetischen Übereinstimmungen von Bevölkerungsgruppen zu schließen ist, ist vollkommen offen. Entscheidend für politische und wirtschaftliche Sachverhalte, die im Zentrum meines Buches stehen, sind kulturelle Faktoren.
Über diese Forschungsergebnisse hatte ich im Berliner „Tagesspiegel“ gelesen, davor hatte die New York Times darüber berichtet – und viele andere Medien auch. Die beiden von einander unabhängigen Studien wurden in den renommierten Fachzeitschriften „Nature“ und „American Journal of Human Genetics“ im Juni 2010 veröffentlicht.
Wenn neue genetische Forschungen zeigen, dass viele heutige Juden zahlreiche Gene von einer ursprünglichen jüdischen Bevölkerungsgruppe, die vor etwa 3000 Jahren im Nahen Osten lebte, gemeinsam haben, ist das zunächst einmal interessant. Politisch ist diese These neutral. Um eine rassistische Äußerung handelt es sich nicht.
Thilo Sarrazin
Der Nature-Aufsatz, auf den sich Sarrazin bezieht, möchte ich Ihnen hier aber wiedergeben – dann sind Sie informiert:
Abstract
Contemporary Jews comprise an aggregate of ethno-religious communities whose worldwide members identify with each other through various shared religious, historical and cultural traditions. Historical evidence suggests common origins in the Middle East, followed by migrations leading to the establishment of communities of Jews in Europe, Africa and Asia, in what is termed the Jewish Diaspora.
This complex demographic history imposes special challenges in attempting to address the genetic structure of the Jewish people. Although many genetic studies have shed light on Jewish origins and on diseases prevalent among Jewish communities, including studies focusing on uniparentally and biparentally inherited markers, genome-wide patterns of variation across the vast geographic span of Jewish Diaspora communities and their respective neighbours have yet to be addressed. Here we use high-density bead arrays to genotype individuals from 14 Jewish Diaspora communities and compare these patterns of genome-wide diversity with those from 69 Old World non-Jewish populations, of which 25 have not previously been reported.
These samples were carefully chosen to provide comprehensive comparisons between Jewish and non-Jewish populations in the Diaspora, as well as with non-Jewish populations from the Middle East and north Africa. Principal component and structure-like analyses identify previously unrecognized genetic substructure within the Middle East. Most Jewish samples form a remarkably tight subcluster that overlies Druze and Cypriot samples but not samples from other Levantine populations or paired Diaspora host populations. In contrast, Ethiopian Jews (Beta Israel) and Indian Jews (Bene Israel and Cochini) cluster with neighbouring autochthonous populations in Ethiopia and western India, respectively, despite a clear paternal link between the Bene Israel and the Levant. These results cast light on the variegated genetic architecture of the Middle East, and trace the origins of most Jewish Diaspora communities to the Levant.
… ich möchte das hier nur festhalten, weil mir mit Schrecken durch den Kopf ging, welche gewaltigen Folgen die Missverständnisse nach sich zogen, die die Wiederentdeckung der Mendelschen Erbgesetze und das “Survival of the fittest” von Darwin auf die Entscheidungen der NS-Zeit nach sich zogen.
Ingeborg Gollwitzer
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