SWR – Bestenliste

Oktober 2014

Die unten aufgeführten 29 Literaturkritikerinnen und -kritiker nennen monatlich – in freier Auswahl – vier Buch-Neuerscheinungen, denen sie „möglichst viele Leser und Leserinnen“ wünschen, und geben ihnen Punkte (15, 10, 6, 3). Die Addition ergab für den Oktober folgendes Resultat (in Klammern die Position der September-Bestenliste):

  1. LUTZ SEILER: Kruso 155

    (1.) Roman. Suhrkamp Verlag, 484 Seiten, € 22,95** Punkte

    Hiddensee. Hier stranden die Schiffbrüchigen des Lebens. Und Kruso, der Insel-Guru, predigt Nischen der Freiheit, die der DDR-Diktatur abgerungen werden. Doch dann fällt die Mauer und die Freiheit wird total …

    Lutz Seiler ist als Lyriker und Erzähler bekannt – Kruso ist sein erster Roman.

  2. THOMAS HETTCHE: Pfaueninsel 146

    (2.) Roman. Kiepenheuer & Witsch, 352 Seiten, € 19,99** Punkte

    „Schloßfräulein, dachte Marie, und begann zu weinen, war sie nur in dieser Welt der Lüge, in der wirklichen aber ein Monster.“ Wie soll man leben als Zwerg in einer künstlichen Naturidylle von Königs Gnaden? Thomas Hettches Roman fragt nach dem richtigen Leben im falschen Bauernhof.

  3. MICHAEL KLEEBERG: Vaterjahre 40

    (-) Roman. DVA, 512 Seiten, € 24,99** Punkte

    Charly Renn kommt aus einer angesehenen Hanseaten-Familie. Aber das heißt noch gar nichts – die bürgerliche Existenz erfordert ein Leben wie ein Hochseilartist. Michael Kleeberg erzählt auch im zweiten „Charly Renn“-Roman nach „Karlmann“ virtuos und so klug wie komisch von der Liebe in Zeiten der späten D-Mark.

  4. JOHN BURNSIDE: Haus der Stummen 36

    (-) Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben.

    Knaus Verlag, 256 Seiten, € 19,99**

    Punkte

    „Niemand kann behaupten, es hätte mir freigestanden, die Zwillinge zu töten, so wenig wie es mir freistand, sie auf die Welt zu bringen. Jedes dieser Ereignisse war unvermeidlich, ein Faden im Gewebe dessen, was man mangels eines besseren Wortes Schicksal nennen mag — ein Faden, den weder ich noch sonst jemand hätte entfernen können, ohne das gesamte Bild zu entstellen.“

  5. JAN WAGNER: Regentonnenvariationen 33

    (-) Gedichte. Hanser Berlin Verlag, 112 Seiten, € 15,90** Punkte

    „unterm pflaumenbaum / hinterm haus – gelassen, kühl / wie ein zenmeister. // eine art ofen

    / im negativ, qualmte nicht, / schluckte die wolken. // gluckste nur kurz auf, / trat man zornig dagegen, / aber gab nichts preis.“

  6. RICHARD POWERS: ORFEO 32

    (-) Roman. Aus dem Amerikanischen von Manfred Allié. Punkte

    S. Fischer Verlag, 496 Seiten, € 22,99**

    Spätestens mit Gustav Mahler wurde die ernste Musik sehr ernst, sehr anspruchsvoll und ziemlich schräg. Peter Els, der Held in Powers neuem Roman, komponiert so etwas. „Tja, sagte er, als das Konzert zu Ende war. Das ist mein Leben. Sie saß hinter dem Steuer, im Dunkeln, einen Fingernagel zwischen den Zähnen. Sie schien eher erschrocken als ärgerlich. Ja, verflixt nochmal, Peter. Manchmal ist es schön. Und ein andermal – da klingt es einfach nur… Wie Lärm?, schlug er vor.“ (Seite 297)

  7. SILKE SCHEUERMANN: Skizze vom Gras 30

    (-) Gedichte. Verlag Schöffling & Co., 104 Seiten, € 18,95** Punkte

    Säbelzahntiger, Tulpen, Picasso und Hochsommer – Silke Scheuermann verfügt über eine erstaunliche Bandbreite an Themen. Ihre Gedichte sprechen den Leser an: „Ich verstehe, mit Dir ist es wie mit den fernsten Zielen – sie verändern sich bei der Ankunft“. Lyrische Erzählungen über Liebe und Natur, Vergangenheit und Zukunft.

  8. KAREN KÖHLER: Wir haben Raketen geangelt 28

    (7.) Erzählungen. Carl Hanser Verlag, 240 Seiten, € 19,90** Punkte

    Als die Schauspielerin Karen Köhler ihre Erzählungen beim Bachmann-Wettbewerb vorstellen sollte, bekam sie Windpocken. Nicht wenige sprachen davon, dass damit die Favoritin ausgeschieden war. Jetzt liegt der Band mit ihren Geschichten vor.

  9. BODO KIRCHHOFF: Verlangen und Melancholie 27

    (3.) Roman. Frankfurter Verlagsanstalt, 448 Seiten, € 24,90** Punkte

    „In seinem neuen Roman verfolgt Bodo Kirchhoff, der große Stilist unter unseren gegenwärtigen Autoren, weiter sein Lebensthema: die Liebe, nicht nur ‚in groben Zügen‘, sondern in ihren feinsten Facetten. ‚Verlangen und Melancholie‘, sein bislang wohl reifstes Werk, spürt allerdings dem Verlust einer Liebe nach.“ (Martin Lüdke)

  10. SHERKO FATAH: Der letzte Ort 26

(-) Roman. Luchterhand Literaturverlag, 288 Seiten, € 19,99** Punkte

„Im Grunde geht es mir nicht schlecht, sagte er sich mit einem Blick auf seine Hände. Wenn nur diese Fesseln nicht wären.“ Sherko Fatahs Romane werden gerne als moderne Abenteuerromane bezeichnet. Das hört sich harmloser an, als es ist. „Der letzte Ort“ erzählt von der Entführung zweier junger Männer im Nahen Osten. Der Vermerk am Ende des Buchs, dass die Handlung frei erfunden sei, ist durchaus nötig.