05.10.2010 Deutscher Buchpreis an Melinda Nadj Abonji

“Ich dachte, es regnet, aber es sind meine Augen, die tränen”

Tauben fliegen aufMelinda Nadj Abonji dankte der Jury am Montagabend im Frankfurter Römer dafür, dass sie nicht nur auf bekannte Namen gesetzt habe, ihrem Verleger Jochen Jung für “geistreiches Nachhaken” und ihrer Lektorin Angelika Klammer für ein Lektorat, wie sie es nicht zu träumen gewagt habe.

Mit bewegter, zitternder Stimme zitierte die Autorin zuletzt auf Ungarisch aus einem bekannten Volkslied ihrer früheren Heimat: “Ich dachte, es regnet, aber es sind meine Augen, die tränen.” Abonji bezeichnete sich selbst als “ungarische Serbin, die in der Schweiz lebt”. Ihre Heimat sei die Sprache: “Ich liebe das Deutsche wie das Ungarische.”

Und darum geht es in dem preisgekrönten Buch: “Tauben fliegen auf” :

Eine ungarische Familie aus Serbien in der Schweiz. Ein schwungvoll und gewitzt erzählter Roman aus der Mitte Europas. Zuhause ist die Familie Kocsis also in der Schweiz, aber es ist ein schwieriges Zuhause, von Heimat gar nicht zu reden, obwohl sie doch die Cafeteria betreiben und obwohl die Kinder dort aufgewachsen sind. Die Eltern haben es immerhin geschafft, aber die Schweiz schafft manchmal die Töchter, Ildiko vor allem, sie sind zwar dort angekommen, aber nicht immer angenommen. Es genügt schon, den Streitigkeiten ihrer Angestellten aus den verschiedenen ehemals jugoslawischen Republiken zuzuhören, um sich nicht mehr zu wundern über ein seltsames Europa, das einander nicht wahrnehmen will. Bleiben da wirklich nur die Liebe und der Rückzug ins angeblich private Leben?

Melinda Nadj Abonji wurde 1968 in Becsej, Vojvodina, geboren. Sie ist Autorin, Musikerin und Textperformerin und lebt in Zürich. Für ihre Arbeit erhielt sie bereits ein Aufenthaltsstipendium am Literarischen Colloquium Berlin und den Hermann-Ganz-Preis 2001.