Was ich glaubeDas sehr lesenswerte und wichtige Fazit eines langen, vielseitigen Lebens

Zunächst hatte ich eigentlich Vorbehalte, dieses Buch zu lesen und zu besprechen. Aber dann hat es mich von Seite zu Seite mehr fasziniert: Warum es mit Prof. Küng und “seiner” katholischen Kirche gar nicht zu Harmonie und Übereinkunft kam, wird hier deutlich; auch, warum das so kam. Wenn es einen auch wundert, dass die Kirche, in der ja – so meint man – hochgebildete Personen sitzen, die angesichts des Wissens unserer Zeit (man nimmt ja an, dass sie sich um die großen, vor allem naturwissenschaftlichen Themen unserer Zeit kümmern…) also, die Kirche sich so absolut abzuschotten scheint, was für das sich so verändernde Wissen und die sich so zu verändernde Menschheit von Bedeutung ist. (z.B. Bevölkerungsexplosion; Geburtenkontrolle; Aids; -( Nur zum Welthunger hat sie eine Meinung – aber ist das die einzige Möglichkeit, die sich bietet? Das nur am Rande.)

Zumindest Küng selbst hat sich immer auf dem Laufenden gehalten: “Ich gelte als unermüdlicher Arbeiter. Und in der Tat gehöre ich zu den Glücklichen, die sagen können, ihre Arbeit sei ihr Hobby. Aber eigentlich ist sie für mich kein Hobby, noch weniger mein Job, vielmehr eine Berufung. Ich weiss, dass ich im Dienst großer Aufgaben stehe (…) Ich lese, studiere,, schreibe und bin damit zufrieden. (…) da drängt sich eine wichtige Einsicht auf: Alles Arbeiten (…) hat doch letztlich dann noch einen Sinn, wenn – das – Menschenleben selber einen Sinn hat”.)

Als er fragte: “Existiert Gott”? versuchte er die Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit zu beantworten. Es wurde in die großen europäischen Sprachen (einschließlich Russisch) übersetzt. Es ist traurig aber kennzeichnend , dass Rom und die deutschen Bischöfe diese Darlegungen keinesfalls dankbar annahmen. “Aber diese Gottesmänner waren an meiner “Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit aktenkundig nicht interessiert. Sie wollen unbedingt den Kritiker der Pillenenzyklika “Humane Vitae”, der päpstlichen Unfehlbarkeit und des römischen Systems zum Schweigen bringen! ( … ) Der Fall Galilei, der Fall Darwin, aber in unseren Tagen auch der Fall Sexualmoral (gegen Pille, Kondome, künstliche Befruchtung, Zellforschung) haben die Beziehungen zwischen Religion und Naturwissenschaft belastet und vergiftet. (…) Wenn ich außerdem sehe, was da kirchlicherseits neuestens wieder in “mittelalterlichem Geist an “Wundern” approbiert und durch Heiligsprechnungen sanktioniert wird, wie alte Legenden als historischen Fakten verkündet, dubiose Wallfahrten gefördert und das fromme Volk vielfach für dumm verkauft wird (…) – Nein, dies alles glaube ich nicht. (…)

Wichtige Gedanken sind Küngs Überlegungen zum Sinn generell von Religion einerseits, wie zu Religionen generell andererseits. Er stellt fest, dass das Grundlegende, welcher Religion auch immer, die gleichen Grundzüge hat; also dass Religion unverzichtbar zum Menschen gehört, da er wohl niemals, so lang seine Geschichte sich auch verfolgen lässt, ohne Religion sein Dasein zu bewältigen vermochte. Aber er stellt auch fest, dass Religion wichtig ist für die Erziehung und das Gemeinschaftsgefühl des Menschen, worin auch jene einbezogen werden, die sich nicht von sich aus darum kümmern würden.

Und natürlich hat er Recht: Wer von uns wüsste etwas von einem Gott, der Möglichkeit des Gebets oder wäre in der Lage, kritisch darüber nachzudenken, hätte er nicht irgendwann, früh in seiner Kindheit, etwas davon gehört? Auch Küng hat sich sein Bild von Gott gemacht: “Um es gleich deutlich zu sagen: Ich weiß nicht, wie Gott aussieht, ich will und kann mir kein Bild von ihm machen. ‘Gott’ ist anders, sprengt all unsere Vorstellungen. Für mich ist nicht die Frage entscheidend,ob Gott personal oder apersonal verstanden werden soll, sondern ob er angeredet werden kann oder nicht. Warum? Weil daran schließlich die Möglichkeit und die Sinnhaftigkeit sowohl des Gebetes wie des Gottesdienstes abhängt – beides für meine Spiritualität wesentlich.”

Es ist also ein ganz persönliches Buch: Die ganzheitliche religiöse Weltsicht eines universalen Denkers und Theologen, auf die wesentlichen Fragen jedes Menschen konzentriert: Was kann ich glauben, worauf kann ich vertrauen, was erhoffen, wie soll ich leben?

Was glaubt Hans Küng ganz persönlich? Er gilt als universaler Denker unserer Zeit; seine Bücher sind in hohen Auflagen in vielen Sprachen über die Welt verbreitet. Doch dieses Buch ist anders, auch wenn es auf seinem gesamten Werk aufbaut. Es ist das persönliche Glaubensbekenntnis eines Mannes, der das theologische Denken weltweit stärker verändert hat als andere. Wenn man aber die ganze gelehrte Wissenschaft, die theologische Formelsprache, die kunstvollen Theoriegebäude wenn man das alles hinter sich lässt, was bleibt dann als Kern des Glaubens? Was brauche ich für mein Leben? Was ist mir unverzichtbar? Von »Lebensvertrauen« über »Lebens-freude«, »Lebenssinn« und »Lebensleid« schreibt Hans Küng und schreibt so eine »summa« seines Glaubens – und Lebens.

Hans Küng, geboren 1928 in Sursee/Schweiz, studierte an der Päpstlichen Universität in Rom Philosophie und Theologie, nahm als Experte am Zweiten Vatikanischen Konzil teil, ist katholischer Priester und Professor emeritus für Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen und Präsident der Stiftung Weltethos. Ihm wurde 1979 – wegen kritischer Äußerungen – vom Papst die kirchliche Lehrbefugnis entzogen.

Gern hätte ich noch mehr aus diesem Buch zitiert; Sie werden es selbst merken, wenn Sie es lesen – was ich Ihnen dringend wünsche, dass Sie es tun. Denn es ist gleicherweise für Christen, wie für solche, die nichts mehr mit unserer herkömmlichen Religion zu tun haben wollen, geschrieben.

Es beschreibt nämlich auch die wichtigsten Grundlagen, die jeder Mensch für sein Leben braucht: Lebensvertrauen – Lebensfreude – Lebenssinn – auch Lebensleid. Dass man nämlich auch mit Anfeindungen, Lebenskrisen, Feindlichkeit fertig werden muss – und kann, hat Hans Küng in seinem Leben immer wieder erlebt; er beschreibt es auch. (Wie, dazu müsste ich hier gleich wieder zitieren. Aber ich hoffe, Ihnen so viel von dem Buch berichtet zu haben, dass Sie es selbst lesen werden!)

Ingeborg Gollwitzer