Wer loslässt, hat zwei Hände freiEin Buch und eine neue Lebenseinstellung – nicht nur für Manager

„Folge nie dem Weg, den andere für dich bereiten, sondern suche stets deinen eigenen Weg, den auch andere gehen können.“

Diese Autobiografie (der Autor ist übrigens Deutscher!) ist nicht nur für Manager interessant und vermutlich sogar wichtig, weil sie zu Überlegungen bringt, die Grundzüge des eigenen Lebens einmal kritisch zu betrachten. Besonders dann nämlich, wenn man heimlich schon hinterfragt hat, ob man nicht in eine Art Tretmühle hineingeraten ist und es zugleich für unmöglich, wie aber für wünschenswert hält, da irgendwie herauszukommen. Eigentlich – so denken viele, ist der persönliche Einsatz ja fortlaufend enorm – und oft zu groß! Ob man das ändern kann? Vielleicht gibt Ihnen ja das Buch neue Gesichtspunkte…

Master Han Shan drückt das so aus:

“Für andere Menschen mag es durchaus einen weniger radikalen Weg geben. Auch ein Funke kann ein inneres Feuer entzünden, und nicht jeder, der in seinem Leben Wissen in sich erwerben und verankern will, muss es auf meine Weise tun.
Doch mir ging es um mehr. Mir hätte es nicht gereicht, morgens und abends zu meditieren, Gutes zu tun und im Randbereich der Welt auszuharren. Was ich tat, das tat ich ganz. Und aus diesem Grunde existierte für mich auch kein halbherziger Weg. Ein bisschen abgeben oder für drei Monate als Mönch leben, wie es in Thailand so viele taten, war mir nicht genug. Ich durfte mich nicht selbst einschränken, indem ich mir kleine Ziele steckte, die von der Natur meines menschlichen Verstandes her limitiert sein mussten.

Viele Menschen würden einen solchen Schritt aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus nicht tun. Doch was war schon sicher? Einzig die Vergänglichkeit. Ich musste nur an die Nacht des Unfalls denken, um mir dies zu vergegenwärtigen. Warum also an etwas festhalten, das sich nicht festhalten ließ?”

Als Master Han Shan noch Hermann Ricker heißt und 1974 im Alter von 23 Jahren nach Singapur kommt, um für die Firma Rollei eine Stelle als Produktionsleiter anzutreten, ahnt er nicht, dass dieser Spruch, der auf seinem Schreibtisch steht, sein gesamtes weiteres Leben bestimmen wird. Jetzt erzählt der heute 58jährige in „Wer loslässt, hat zwei Hände frei“ die außergewöhnliche Geschichte seines Weges vom Ingenieur aus Hessen zum Multimillionär in Singapur, der sein Vermögen verschenkt, um Bettelmönch in Thailand zu werden.

Das Buch ist weit mehr als eine gelungene Autobiografie. Es ist das Dokument einer einzigartigen Selbstfindung, das den Leser weder belehrt, noch zu missionieren versucht, sondern teilhaben lässt und damit zum eigenen Nachdenken anregt.

1974: Vom ersten Augenblick an ist der junge Offenbacher Hermann Ricker dermaßen fasziniert von Asien, dass er versucht, die östliche Lebensweisheit in seine europäischen Geschäftspraktiken einzubinden. Nicht das Ziel heiligt die Mittel, sondern die Mittel bestimmen das Ziel. Damit hat er durchschlagenden Erfolg.

Nach einer kurzen betriebsinternen Karriere macht er sich selbständig und wird binnen weniger Jahre zum Multimillionär mit Jahresumsätzen von über 30 Millionen Dollar, 1000 Angestellten, Luxus-Domizilen in Singapur, Penang und Hong Kong, den tollsten Sportwagen. Er liebt sein Leben. Er hält sich für einen glücklichen Menschen.

Das ändert sich in einer dunklen Nacht im März 1995 auf dem Malaysian Highway. Als ein Laster in seinen roten Jaguar XJ6 rast, der Wagen sich mehrmals überschlägt und er selbst völlig unversehrt den Trümmern entsteigt, erkennt Hermann Ricker, dass sein Leben keinerlei Sinn hat, weil es im Angesicht des Todes völlig gleich ist, was man erreicht hat, und was man besitzt. Dass die Vergänglichkeit das einzig Sichere im Leben ist.

Wer loslässt, hat zwei Hände frei“: Nur wenige Wochen nach dem Unfall verschenkt der inzwischen 45jährige Unternehmer sein gesamtes Hab und Gut und geht nach Thailand. Dort lässt er sich zum Bettelmönch Ophaso ordinieren und lebt zunächst einige Jahre auf der kleinen Insel Don Savan, dann in einem Waldtempel in einer der ärmsten Gegenden des Landes. Der Mann, der einstmals mehrere Hausangestellte beschäftigte, setzt sich jetzt gegen bissige Ameisen zur Wehr, wäscht seine drei Kutten in einem See, in dem es vor Blutegeln und anderem Getier nur so wimmelt, und geht jeden Morgen nach Sonnenaufgang mit seiner Bettelschale auf Bettelrunde, um von den Gläubigen mit Essen versorgt zu werden. Und erlebt Glück, das er niemals für möglich gehalten hätte.

Zehn Jahre nach seiner Ordinierung zum Mönch wird aus dem Lernenden Ophaso der Lehrende Master Han Shan. Seither lebt er im Nordosten Thailands in einer kleinen Hütte am Rande seines Nava Disa Retreat Centers. Master Han Shan ist dem Spruch, der einstmals auf Hermann Rickers Schreibtisch stand, treu geblieben. Er fand seinen eigenen Weg, und den können nun auch andere gehen, in Nava Disa, dem „Fenster zum Himmel“.

Alles in allem ist „Wer loslässt, hat zwei Hände frei“ eine atemberaubende Liebesgeschichte zwischen einem Mann und der Wahrheit des Lebens, die sich wie eine Perle in einem jeden von uns verborgen hält. Universelle Liebe, Mitgefühl, Mitfreude, mentale Ausgewogenheit – der Autor erlaubt dem Leser, ihn zu begleiten auf seiner Suche nach wahrhaftigem Wissen, Verstehen und der mächtigen Kraft universellen Zusammenwirkens. Es ist ein Buch, das zum Innehalten einlädt und die Seele um tiefe Erkenntnisse bereichert, wie sie in dieser Klarheit noch selten zuvor artikuliert wurden.

Im Anklang an einen alten chinesischen Meister, der mehrere Werke über Buddhas Lehre geschrieben und diese kommentiert hat, nahm er den Namen Han Shan an, was übersetzt „großer Berg“ bedeutet.

Ich habe gelernt, mein Bewusstsein zu schärfen und die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Die meisten Menschen halten an ihren Vorstellungen fest und ärgern sich, wenn diese nicht zur Realität werden. Dabei verlieren sie den klaren Blick fürs Wesentliche.“ Master Han Shan

Lesen Sie selbst die erstaunliche Geschichte eines Mannes, der der materiellen Welt den Rücken kehrt, um das zu suchen, was im Leben wirklich wichtig ist. Und: Überlegen Sie mal, wem Sie dieses interessante Buch wohl schenken können …

Ingeborg Gollwitzer