Zehn ganz besondere Lesetips –
die sollten Sie sich merken!
Die unten aufgeführten 29 Literaturkritikerinnen und -kritiker nennen monatlich – in freier Auswahl – vier Buch-Neuerscheinungen, denen sie „möglichst viele Leser und Leserinnen“ wünschen, und geben ihnen Punkte (15, 10, 6, 3). Die Addition ergab für den November folgendes Resultat (in Klammern die Position der Oktober-Bestenliste):

1.BOTHO STRAUSS: Herkunft 118

(-)Carl Hanser Verlag, 96 Seiten, € 14,90**Punkte

„Es ist ein kleines, ein schmales Buch, und es ist ein großes Buch, weil Botho Strauß darin nicht nur von seiner eigenen Kindheit erzählt, sondern das Erinnern schlechthin behandelt, indem er zeigt, dass es uns Menschen so nötig und unentbehrlich ist wie Nahrung, Liebe, Schlaf.“ (Hubert Spiegel)

2.-3. THOMAS HETTCHE: Pfaueninsel 36

(2.)Roman. Kiepenheuer & Witsch, 352 Seiten, € 19,99*Punkte

„Schloßfräulein, dachte Marie und begann zu weinen, war sie nur in dieser Welt der Lüge, in der wirklichen aber ein Monster.“ Wie soll man leben als Zwerg in einer künstlichen Naturidylle von Königs Gnaden? Thomas Hettches Roman fragt nach dem richtigen Leben im falschen Bauernhof.

REINER STACH: Kafka36

(-)Die frühen Jahre

S. Fischer Verlag, 608 Seiten, € 34,00**

Punkte

Beschreibung eines Kampfs, einer Jugend, einer Zeit. Der dritte Teil von Reiner Stachs großer Kafka-Biographie ist eigentlich der erste: Kindheit, Schule, Familie, frühe Freunde des wortmächtigen Abandonikers.

4.WOLFGANG HERRNDORF: Bilder deiner großen Liebe35

(-)Roman. Rowohlt Berlin Verlag, 144 Seiten, € 16,95*Punkte

Die Fortsetzung der großen Road Novel „Tschick“, nach dem Selbstmord des krebskranken Autors herausgegeben von Kathrin Passig und Marcus Gärtner: „Der Abgrund zerrt an mir. Aber ich bin stärker. Ich bin nicht verrückt. … ich bin dieselbe. Ich bin das Kind.“ (S.128)

5.-6. MARCEL BEYER: Graphit 34

(-)Gedichte. Suhrkamp Verlag, 207 Seiten, € 21,95**Punkte

Für Marcel Beyer, gerade mit dem Oskar Pastior Preis ausgezeichnet, sind Gedichte „Forschung – auf einem anderen Gebiet als der Naturwissenschaft, mit anderen Mitteln, einem anderen Gegenstand natürlich, aber in der Bewegung ähnlich.“ Dem folgen auch die Gedichte des neuen Bandes.

5.-6. MICHAEL KLEEBERG: Vaterjahre34

(3.)Roman. DVA, 512 Seiten, € 24,99* Punkte

Die bürgerliche Existenz erfordert ein Leben wie ein Hochseilartist. Michael Kleeberg

erzählt auch im zweiten „Charly Renn“-Roman nach „Karlmann“ virtuos und so klug wie komisch vom Leben als Mann. „Hanseatische Pfeffersäcke, lest dieses Buch! Michael Kleeberg hat mit „Vaterjahre“ einen furiosen Hamburg-Roman geschrieben, der herrlich boshaft vom arriviert-bürgerlichen Leben erzählt.“ (Ijoma Mangold)

  1. HANS MAGNUS ENZENSBERGER: Tumult 33

    (-)Suhrkamp Verlag, 287 Seiten, € 21,95*Punkte

    „Hans Magnus Enzensberger hat sich immer getarnt. Er ist nie zu fassen gewesen. Alle seine Spuren – den Angry Young Man, den Revoluzzer, den intellektuellen Perlgeist – hat er immer sofort wieder verwischt. Wenn er nun eine Autobiografie schreibt, muss man auf allerhand gefasst sein.“ (Helmut Böttiger)

  2. KAREN KÖHLER: Wir haben Raketen geangelt28

(8.)Erzählungen. Carl Hanser Verlag, 240 Seiten, € 19,90**Punkte

Was „dieses Debüt besitzt und was es so sympathisch macht, das sind vor allem zwei Eigenschaften: echtes Temperament und künstlerische Autonomie. Diese Debütantin schmiegt sich nicht in bewährte Muster. Sie strickt an unverkennbar eigenen. … Reden wir nicht darum herum: Da ist Meisterschaft am Werk.“ (Ursula März)

9.-10. ESTHER KINSKY: Am Fluß 26

(-)Roman. Verlag Matthes & Seitz Berlin, 387 Seiten, € 22,90 ** Punkte

Man kann sich einer Stadt nähern, als wäre es eine Wildnis, die einen gleichermaßen begeistert und einschüchtert – Esther Kinsky schreibt über Flüsse und Städte ihres Lebens: „Manchmal standen sogar kleine Möbelstücke am Straßenrand, ich hätte sie gut gebrauchen können, aber ich fürchtete mich davor, mit ihnen ein Schicksal bei mir eintreten zu lassen, das sich breitmachen würde. Es würde in einer Ecke sitzen, erst leise, dann immer selbstbewusster, mit den Füßen wippen und am Ende gar rauchen und plaudern wollen.“

REGINA SCHEER: Machandel26

(-)Roman. Knaus Verlag, 480 Seiten, € 22,99** Punkte

Im Gutshof des Mecklenburger Dorfs Machandel kreuzen sich 1943 viele Lebenswege.

„Todesgefahr. Lebensgefahr. Beides bedeutete dasselbe“. Jahrzehnte später, kurz vor dem Mauerfall, übernimmt Clara eine alte Bauernkate im Dorf. Die Renovierung wird zur Reisein die Vergangenheit Ostdeutschlands. Regina Scheer, Jahrgang 1950, erzählt in ihrem Debüt eine vielstimmige Geschichte von den 30er Jahren bis heute.

*Persönliche Empfehlung im November von Ursula März (Berlin):

ITALO SVEVO: Ein gelungener Streich

Erzählungen. Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner.

Manesse Verlag, 480 Seiten, € 24,95

“Die langen Jahre, die Italo Svevo als Geschäftsführer einer Lackfabrik in der Wirtschaftswelt verbrachte, gingen an seinem literarischen Bewusstsein nicht spurlos vorüber. Der moderne Klassiker aus Triest war hochempfindlich für die Bedeutung des Geldes, für das Eindringen des ökonomischen Prinzips in sämtliche Bereiche des menschlichen Lebens und seiner moralischen Konflikte, ob sie das Rauchen von Zigaretten oder die Liebe zu Frauen betreffen. In diesen neu übersetzten, in den ersten zwei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts entstandenen Erzählungen erweisen sich Svevos sehr schwache und sehr komische Helden als Vorläufer des zeitgenössischen homo oeconomicus.“

(Ursula März)

*** (vermutlich) schwierigere Lektüre

** (vermutlich) mittelschwere Lektüre

* (vermutlich) leichtere Lektüre

 

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