Die nahezu unheimliche Macht der Datensammler!
Sie meinen, dieses Buch gehe Sie wohl kaum etwas an? Ich möchte und muss Sie davon überzeugen, dass Sie das, was Sie in
“Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich!”
lesen können, sogar unbedingt wissen müssen!
Sie werden sich das nur schwer vorstellen können: Jeder, der nach den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts geboren wurde, ist automatisch Teil einer riesigen Datenmenge, die, ständig angereichert um neue Daten, zu Ihnen kaum vorstellbaren Summen verkauft wird. Jedoch werden so nach und nach alle lebenden Personen wie mit einem Magneten hineingezogen, wie in einen Schwarm Fische.
Machen Sie es wie ich eben: Googeln Sie sich selbst – und Sie werden sich wundern, in welchen Zusammenhängen Sie genannt werden:. Ich zähle mal Einiges auf: Über die Registrierung Ihrer Taufe, Kommunion oder Konfirmation Ihre religiöse Zuordnung, als Team-Mitglied einer Handball-, Fußball-, Schwimm-Mannschaft, als Mitglied eines Wandervereins …
Schon so unverfängliche Daten können sehr bald Ihr Bild anreichern, z.B. dass Sie einen Hund haben, den Sie zur Steuer und bei einer Haftpflichtversicherung anmelden. Ihr Bestehen von Prüfungen, Ihr Studium. Nahezu alles wird ja heute digital erledigt! Einwohnermeldeamt, Heirat, Krankenversicherung, Homebanking. Sie können sich selbst überlegen, wo Sie sich überall an- oder umgemeldet haben, wann Sie wo etwas bestellt oder abbestellt haben, was Sie (auch im Supermarkt mit Kreditkarte!) wo kauften.
Ich will Ihnen etwas zeigen: Das Angebot eines deutschen Daten-Dealers (von eben!) sieht so aus:
“Adressqualifizierung – erfahren, was Kunden bewegt
Konsumenten haben heute vielfache Wahlmöglichkeiten. Umso wichtiger ist es, über qualifizierende Kundeninformationen zu verfügen, die eine individuelle Ansprache und Betreuung ermöglichen. Das xxy-sYSTEM ist eine in Deutschland einzigartige Informationsdatenbank. XXY enthält zu mehr als 40 Millionen Haushalten, 70 Millionen Personen und 20 Millionen Gebäuden umfangreiche Profildaten. Diese mehr als 600 Merkmale – soziodemografische, psychografische und Konsumeigenschaften – können zur Profilierung von aktuellen und potenziellen Kunden herangezogen werden. Diese Informationen lassen sich z. B. zur Adressqualifizierung, Kundenselektion, Bestandskundenoptimierung oder auch Erstellung einer Kundentypologie nutzen.”
Soetwas gab es auch früher, schon vor dem Digital-Zeitalter! Der obige Anbieter (XXY) bzw dessen Unternehmen, ist immerhin 45 Jahre alt! Ich erinnere noch seine Altarbibel-starken Kataloge, in denen man nach Kunden auch mit den seltsamsten ‘Attributen’ fahnden und dann die Adressen in vielerlei Form kaufen konnte. Der Preis für eine bestimmte Gruppe richtete sich nach ihrem ‘Wert’, der Stückzahl und danach, ob man diese Adressen tatsächlich kaufen (d.h. für immer behalten) oder sie nur zur ein- oder mehrmaligen Verwendung haben wollte. Das wurde und wird dann vom Adress-Verkäufer insofern geprüft, als er Test-Adressen beifügt, die ihm sofort deren Einsatz meldet. Unvertraglicher Einsatz seitens des Abnehmers bedeutet hohe Geldstrafen!
Nebenbei: Werbung ist für mich nicht negativ besetzt: Vor über siebzig Jahren(!), sobald ich lesen konnte, bekam ich jedesmal zum Geburtstag eine ‘persönliche Postkarte’ vom Blendax-Max. Lustig und mit blauer Tinte ‘handgeschrieben’. Ebenfalls vor über siebzig Jahren(!) bekam ich jedes Jahr im Spätherbst eine Karte vom Schneider-Franz. Mit blauer Tinte, handgeschrieben! (Der Franz Schneider Verlag war damals DER Kinderbuchverlag!)
Immer noch mag ich Werbung, die Freude bereitet.. Und über dreißig Jahre habe ich mich selbst bemüht, Werbung, die Freude macht, zu verschicken. Und natürlich benötigt man dazu auch eine Adressen-Datenbank.Und die kann man zunehmend ‘anreichern’. Vor einigen Jahren erzielte damals ein Datenbankversuch einen riesigen Verblüffungserfolg: Ein Pfiffikus hatte ein Angebot mit einem wunderbaren Pralinen-Sortiment an Käufer von – – Schlankheitspillen versenden lassen!
Auf derart einfache, ganz harmlose Weise lernte man das Anreichern von Daten, und das immer besser. Jedoch wird da so einiges grenzwertig, wogegen man sich wehren muss. Auch durch Gesetze! . Und darum empfehle ich auch Ihnen dieses Buch!
Sie sind sich sicher, dass Sie ganz bestimmt in keiner Adressen-Datenbank sein können? Hier können Sie sehen: Sie sind automatisch Bestandteil einer Angebots-Datenbank, von der Sie vermutlich kaum etwas ahnen. Hier wieder der aktuelle Werbetext an mutmaßliche Adress-Käufer:
“Sie möchten mit Mailings neue Kunden im hart umkämpften Consumer-Markt gewinnen? Wir liefern Ihnen dafür hochwertige Haushaltsadressen, die mit zahlreichen Zusatzinformationen angereichert werden können.
Die Vermietdatenbank von Deutsche Post Direkt bietet die Qualitätsadressen, die Sie für Ihre erfolgreiche Neukundengewinnung benötigen. Rund 37 Millionen Adressen decken nahezu den gesamten Markt an Privathaushalten ab. Zur Adresspflege wird u. a. die Anschriftenprüfung der Deutschen Post genutzt, wodurch die Adressen fortlaufend auf den neuesten Stand gebracht werden.
Mehr als eine Milliarde qualifizierte Merkmale aus dem mikrogeografischen System microdialog ermöglichen eine zielgruppengenaue Adressselektion: Statistische Daten zu Soziodemografie, zu Konsumvorlieben, zur Wohnstruktur und zur Region charakterisieren treffsicher Ihre gewünschten potenziellen Kunden.”
Jeder wird, ohne dass er es ahnt, verkauft, untersucht, ‘angereichert’, aber auch gelegentlich disqualifiziert mit schlimmen Folgen! Dann passiert, was ich keinem wünschen möchte, seine Kreditwürdigkeit zeigt negative Merkmale. Gelegentlich hat das Gründe: Mahnbescheid – irgendwann einmal – geplatzter Ratenkredit etc. Nichts wird vergessen, manchmal aber kommt es zu Verwechslungen oder ein Schuldenausgleich wird nicht ausgetragen. Auch bei völlig reiner Weste kann jemand wegen Namensgleichheit verwechselt werden und das eben manchmal auch dann, wenn er eine völlig reine Weste Hat. Folge: Er bekommt keinen Kredit, keinen Mietvertag (Wohnung) und dergleichen mehr.
Das beweist aber auch, dass durch derartiges, ganz willkürliches Zusammentragen von irgendwo aufgetauchten Daten man das Bild bzw. das Verhalten einer Person nicht nur – fast wie ein Fingerabdruck – nachzeichnen, sondern auch sogar vorhersehen kann. Sie werden merken, dass mich persönlich dieses Thema seit Jahrzehnen fasziniert, gleichzeitig aber auch besorgt gemacht hat. Darum begrüße ich auch das Erscheinen dieses Buches!
Überdies weiß ich auch aus eigener Erfahrung, dass man z.B. aus bestimmten Merkmalen einer Bestellung vorhersehen kann, ob der Kunde beispielsweise auch bezahlen wird! Während meiner Berufstätigkeit kamen derartige Bestellungen grundsätzlich zu mir auf den Tisch: Ich konnte dann in einer weiteren, nur mir zugänglichen Bonitäts-Datenbank (s.u.) nachsehen, ob für diesen Kunden nachteilige Zahlungsmerkmale vorliegen. Das ging von “Angemahnt” bis “eidesstattliche Versicherung am…”. (Die erhaltene Auskunft bewies bei 98 % der Fälle, dass unsere Vermutung richtig war.)
Hier möchte ich Ihnen daher noch eine dritte Datenbank vorstellen: (Wieder der aktuelle Werbetext.)
“Der Datenbestand der SCHUFA umfasst 682 Millionen Informationen zu 66,3 Millionen Privatpersonen und 4,2 Millionen Unternehmen.
Pro Tag erteilt die SCHUFA rund 300.000 Auskünfte an Vertragspartner unternehmen und Verbraucher.8.500 Firmenkunden aus Kreditwirtschaft, Handel und Dienstleistungen sind als Vertragspartner angeschlossen”.
So stellt sie sich vor: “Die Bereitstellung kreditrelevanter Informationen ist das Kerngeschäft der SCHUFA. Als innovativer Dienstleister und Partner im modernen Wirtschaftsleben bieten wir unseren 8.500 Vertragspartnern wie Banken, Sparkassen, Handel und weiteren Branchen die Grundlage für eine sichere Kreditvergabe; Verbrauchern ermöglichen wir eine bequeme und kostengünstige Kreditaufnahme. Mit der SCHUFA-Auskunft für Verbraucher und dem Portal meineSCHUFA.de schafft die SCHUFA zudem ein Höchstmaß an Transparenz”.
Und wie kommt sie an die Dateien? Die werden gekauft und dann im Laufe der Zeit ‘angereichert’!
Fasziniert hat mich seit Jahrzehnten beides: Erstens, wie sich auch das Psychogramm einer Person aus unendlichen, öffentlich zugänglichen Datenfetzen zusammensetzen lässt. Zweitens die Phantasie und Geschicklichkeit von Programmierern, Psychologen etc. die sogenannte ‘Algorithmen’ (eine Formel der mathematischen Logik: Rechenvorgang, der nach einem bestimmten – sich wiederholenden – Schema abläuft) entwickeln, mit deren Hilfe man die Datenfetzen sammeln und kategorisieren kann. Die Antwort, die dabei gefunden wird, heißt: wer? – wenn … dann…
“Der Handel mit privaten Daten ist ein milliardenschweres Geschäft. Der [USA] Marktführer Acxiom hat laut eigener Aussage bereits 500 Millionen Profile erstellt und damit fast die gesamte Bevölkerung Amerikas und einen Großteil Europas erfasst. Im Durchschnitt besitzt Acxiom über jede Person etwa 1500 Datensätze. Solche Unternehmen beschäftigen Soziologen und Psychologen, mit deren Hilfe Methoden entwickelt werden, um aus den vorhandenen Daten weitere Attribute für die Persönlichkeitsprofile ableiten zu können”, erklärt Markus Morgenroth in einem Gespräch in FAZ-Net.
Aber: es kann auch gefährlich werden! Ursprünglich wurden diese Daten nur für die Privatwirtschaft entwickelt, (natürlich, um damit auch selbst Geld zu verdienen!), um damit Marktforschung zu betreiben, mögliche Märkte für alles mögliche zu finden und um die eigene Kundendatei zu optimieren. Aber ich selbst erinnere noch, dass man damals bereits in der Vor-Digitalzeit daran arbeitete, ein Programm zu entwickeln, um bei Straßen oder Wohngegenden die große oder geringe Kaufkraft der dort Wohnenden herauszufinden. Eine Anschrift, die künftig bereits ein Werturteil darstellen sollte.
Gottseidank sind in Deutschland die Datenschutzbestimmungen viel rigider als in den USA. Denn im ‘Land der unbegrenzten Möglichkeiten’ ist sehr viel mehr möglich als bei uns in Deutschland und wenn man in
“Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich!” davon liest, läuft es einem kalt den Rücken herunter. Es wird hoffentlich einige, noch mehr als bisher, dazu bewegen, den Datenschutz immer gründlicher zu fordern..
Markus Morgenroth erklärt das so: “ Ein einzelner Datensatz kostet oft nur den Bruchteil eines Cents. Es kommt also auf die Menge an. Wenn etwa ein Unternehmen auf Facebook Werbung für sein Produkt schalten will, kann es die Zielgruppe genau auswählen. Das Unternehmen kann also sagen, ich möchte nicht nur alle Deutschen erreichen, sondern alle weiblichen Deutschen im Alter von 18 bis 22, die in einem bestimmten Postleitzahlengebiet wohnen, die diese oder jene Ausbildung haben, die in den nächsten 180 Tagen ein Auto der Kompaktklasse kaufen möchten und vielleicht noch die Farbe Pink mögen.”
Meist dauert es inzwischen kaum mehr als einen Datendurchlauf, und man hat, was man wollte. “Aber der privaten Wirtschaft geht es dabei nicht um das Ausspähen einer bestimmten Person! Es wird nur die gesamte Menge verfügbarer Adressen gesucht. “Wenn – Dann – . Das hilft, einen Interessentenkreis zielgerecht und ohne Streuverlust zu erreichen.
Einerseits ist es die Menge; vor allem aber ist es die Tatsache, dass die Daten aus verschiedensten Quellen auf intelligente Art und Weise miteinander verknüpft werden und somit teilweise sehr umfangreiche Profile entstehen. Die akkumulierten Daten werden zum größten Teil von der Werbewirtschaft genutzt. Da geht es nicht um das Ausspähen von einzelnen Personen, sondern um Marktforschung, die Steigerung des Absatzes und die Maximierung von Gewinnen.”
Besonders gründlich beschreibt “Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich!” die missbräuchliche Datennutzung,
“In Amerika (und bald, wenn wir nicht aufpassen, auch bei uns!) kann ein Arbeitgeber alle Daten, die ein Mitarbeiter am Firmencomputer eingibt, also auch private Nachrichten z.B. auf Facebook, filtern und analysieren lassen. Und “eine amerikanische Firma, die mittlerweile auch eine deutsche Niederlassung hat, bietet zum Beispiel eine Überwachungs-App für Smartphones an. Man muss sie nur auf einem Smartphone einer Person installieren, die man bespitzeln möchte. Sie kann nicht entdeckt werden, aber alles mitschneiden: Telefonate, den Inhalt des Displays, alle gespeicherten Daten. Die Firma schützt sich natürlich, indem sie dem deutschen Nutzer sagt, wir verkaufen dir diese App zwar, aber vor dem Einsatz musst du dem Inhaber des Smartphones Bescheid geben und natürlich alle geltenden Gesetze beachten – was in Deutschland hieße, sie ließe sich gar nicht erst einsetzen”. Theoretisch!
Markus Morgenroth gibt zu allen Feststellungen im Anhang genau an, wo man sachdienliche Informationen bekommt oder an wen man sich hilfesuchend oder verzweifelt wenden kann. Es ist fabelhaft, was er da alles für Sie zusammengetragen hat! Vor allem auch Hinweise dazu, wo es Fallstricke gibt oder wie man sich schützt.
Es gelten hier und da inzwischen auch schon bei uns verhängnisvolle Regeln, die man bei Bewerbern um eine ausgeschriebene Stelle anwendet. Angeblich helfen die gewonnenen Auskünfte aus dem Netz dem Personalchef, seine Zeit für die Sichtung der Bewerbungen sinnvoller einzusetzen. Es wird also ein Assistent o.ä. beauftragt, die Bewerbungen schon mal in eine Datenbank zur Überprüfung einzugeben. Es kann passieren, dass bestimmte Bewerber anhand – “Dann-nicht!” (siehe meine eigenen Beobachtungen oben) behandelt werden. . Ohne, dass der Bewerber je erfährt, dass unglückliche bzw. ungefilterte Äußerungen im Netz (sogar schon lange zurückliegende in seiner Jugend) sich hier unheilsvoll auswirken! Er wird eventuell von vornherein überhaupt nicht zum Vorstellungsgespräch gebeten.
In den Vereinigten Staaten hat Datenschutz bekanntermaßen einen geringeren Stellenwert als in Deutschland und generell in Europa. Hierzulande sind die Gesetze kundenfreundlicher, das heißt, es ist nicht ganz so einfach, private Daten weiterzugeben. In Amerika kann es beispielsweise passieren, dass ein Arbeitgeber alle Daten, die ein Mitarbeiter am Firmencomputer eingibt, also auch private Nachrichten auf Facebook, filtern und analysieren lässt. Die Amerikaner sind sicherlich führend.. Die Vereinigten Staaten sind oft wie eine Art Kristallkugel für Europa: Dort sehen wir unsere Zukunft, denn vieles kommt früher oder später auch zu uns herüber.
“Big Data ist bereits in vielen Bereichen ein großes Thema, und ich glaube, die Bedeutung wird noch weiter wachsen. Vor einiger Zeit wurde beispielsweise bekannt, dass die Stadt Houston im Rahmen eines Programms zur Diabetesvorsorge Hunderten von Mitarbeitern ein sogenanntes Life-Tracking-Armband gegeben hat. Dieses Armband misst, wie lange man schläft, wie viel man sich bewegt, über eine App lassen sich das Ess- und das Trinkverhalten eingeben. Das Armband soll die Nutzer zu einem besseren Lebensstil motivieren – so lautet die Werbebotschaft. Die Stadt Houston erhofft sich von der Aktion, dass ihre Mitarbeiter durch die Kontrollinstanz des Armbands gesünder leben. Andernfalls könnte sie ihnen sagen: Du bist mir zu krank, wir entlassen dich. Es entsteht ein Zwang, der Nutzer beginnt, sich selbst zu überwachen.”
Seine Arbeit bzw. Aufgaben, mit denen Markus Morgenroth in den USA bei der Fima Cataphora sich beschäftigt, beschreibt er so: Einerseits ist es ihm ein bisschen unheimlich, was man aus Daten alles hervorlocken kann. “Aber ohne dass es große Datenmengen gäbe, die wir analysieren können, hätten wir bei Cataphora keine Arbeit. Andererseits kommt es auch immer darauf an, was man mit den Daten macht. Wir halten uns an einen internen Ethik-Code. Die Aufträge waren bisher sehr klar, und wir konnten von uns immer behaupten, dass unsere Arbeit nie dem normalen, „nicht-bösen“ Mitarbeiter geschadet hat
Es gibt immer eine klar umrissene Fragestellung. Wir hatten beispielsweise den Auftrag eines Finanzdienstleisters, sogenannte Insider Threats zu finden, also Mitarbeiter, die zum Beispiel Insiderhandel betreiben, Gelder veruntreuen oder illegale Geschäfte machen. Unternehmen haben natürlich ein starkes Interesse, solche Mitarbeiter frühzeitig zu erkennen, da andernfalls ein erheblicher finanzieller Schaden und Imageverlust entstehen kann und gegebenenfalls drastische Strafen gezahlt werden müssen.
Um solche Insider Threats aufzuspüren, gibt es eine ganze Reihe sogenannter Compliance-Systeme. Sie machen meistens viel Arbeit, denn sie schlagen häufig Alarm, oft sind es allerdings Fehlalarme. In größeren Unternehmen, vor allem in der Finanzbranche, sind ganze Abteilungen damit beschäftigt, die Ursachen der Alarme zu untersuchen. Wir sollten zeigen, dass wir mit unserer Technologie das Aufspüren von Insider Threats effizienter durchführen können.
In unserem Fall ging es um die gezielte Einordnung von sechs Personen. Mit Hilfe verschiedener Analysemethoden konnten wir herausfinden, dass ein Mitarbeiter Firmengelder im großen Stil unterschlagen hatte. Bei zwei Mitarbeitern konnte der Verdacht nicht bestätigt werden, dass auch sie dem Unternehmen in naher Zukunft Schaden zufügen könnten; schließlich konnten wir bei einem Mitarbeiter, der zuvor nur als leicht verdächtigt eingestuft war, ein hohes unmittelbar vorhandenes Risiko erkennen.
Wie sich später herausstellte, lagen wir mit unseren Analysen richtig. Die Prognosen beruhten auf einer Reihe von Analysen, beispielsweise wurde der Tonfall untersucht, in dem sich die Mitarbeiter per E-Mail unterhielten, wer sprach mit wem wie oft über welche Themen, wie veränderten sich bestimmte Kommunikationsweisen im Laufe der Zeit, und so weiter”.
Sowas gibt es natürlich auch in Deutschland. Ich zitiere hier mal Daimler-Benz:
„(…) Compliance-Schwerpunkte Korruption zu vermeiden und zu bekämpfen, hat höchste Priorität bei Daimler. Compliance beschränkt sich aber keinesfalls auf Anti-Korruptionsmaßnahmen. Vielmehr erfordert Compliance verantwortungsvolles Handeln eines jeden Einzelnen, das im Einklang mit allen maßgeblichen Gesetzen, freiwilligen Selbstverpflichtungen und unseren internen Richtlinien steht.Hinweisgebersystem BPO Die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften und internen Regelungen hat für Daimler höchste Priorität. Denn nur wenn Regeln und Normen eingehalten werden, können wir Schaden von unserem Unternehmen, unseren Beschäftigten und Geschäftspartnern abwenden. (…)”
Es ist aber ein deutlicher Unterschied, ob die Privatwirtschaft solche Daten auswertet oder der Staat. Als Beispiel erwähnt Markus Morgenstern: “Was wäre mit der deutschen Einheit gewesen, hätte sie fünfzehn Jahre später stattgefunden, als alle Leute ein Handy besaßen? Es wäre für die Stasi ein Leichtes gewesen herauszufinden, wer da demonstriert. Mit Hilfe der Analysen, wie wir sie so ähnlich bei Cataphora auch machen, hätte man die Personen im Zentrum der Bewegung, die Anführer und Strippenzieher aufspüren können. Hätte die Stasi das gewusst, hätte sie diese Personen gezielt ausschalten oder einsperren können.
Viel Technologie zum Abgreifen von Daten wird innerhalb der Geheimdienste entwickelt. Aber nach allem, was bekannt ist, brauchen die Geheimdienste die Unterstützung von anderen Unternehmen, wie zum Beispiel Google, Facebook, Microsoft oder Apple.
Die NSA und auch andere Geheimdienste in anderen Ländern, wahrscheinlich auch der BND, haben die technischen Mittel, um auf diese Daten zuzugreifen.
Nach den NSA-Enthüllungen ist ja die große Aufregung schnell abgekühlt. Man hat sich sicherlich schon viel zu sehr daran gewöhnt, online zu leben. Es hat ja auch viele Vorteile, macht Spaß und ist enorm praktisch. Der eine oder andere hat vielleicht kurzzeitig darüber nachgedacht, was es bedeutet, dass die NSA oder der BND ihn bespitzelt. Aber solange man keine direkten, negativen Auswirkungen bemerkt, macht man eben so weiter wie bisher. Vielleicht posten wir ein paar Monate lang etwas weniger – bis Edward Snowden wieder aus den Nachrichten verschwindet. Um das zu ändern, müsste viel mehr Aufklärung betrieben werden. Man darf nicht vergessen, dass die Technologien immer weiterentwickelt werden.
Nehmen Sie zum Beispiel Google Glass. Bald, in einigen wenigen Jahren, wird es technisch möglich sein, dass man durch die Straßen läuft und dank automatischer Gesichtserkennung die Namen der Passanten in der Brille aufleuchten sieht. Und dazu dann auch noch das Alter, Geburtsdatum, die Facebook-Freunde, Interessen, ob jemand Single ist oder nicht, was er gestern gekauft hat und welche Kinofilme er mag. Wie gesagt, technisch ist das machbar. Entscheidend wird sein, ob die Politik entsprechende Regelungen und Gesetze etablieren wird und ob die Gesellschaft so etwas überhaupt zulässt. Genau deswegen ist Aufklärung so wichtig. Wir stecken jedenfalls schon zu tief drin.”
—
Datenspionage gegen Angestellte ist tägliche Praxis in deutschen Unternehmen. Backgroundchecks bestimmen über Wohnung, Kredit, Job, Liebe.
In diesem Buch deckt ein in deutscher Datenanalytiker das ganze Ausmaß der Überwachung und des Datenmissbrauchs auf.
Man braucht keinen Facebook-Account, kein Amazon-Konto, ja nicht einmal einen Internet-Anschluss, um im Netz der Datenhaie zu zappeln. (Ich habe Ihnen oben erklärt, wie es dazu kommt!)
Internationale und nationale Unternehmen schließen aus Adresse, Alter, Geschlecht auf Person und Charakter und vergeben Kredite, Verträge, Arbeitsplätze oder eben all dies nicht.
Wer möchte, dass seine „Klickspur“ vom Arbeitgeber analysiert wird? Wer ist sicher, dass dies nicht geschieht? Und was bedeutet diese Spur bei der nächsten Kündigungswelle?
Datenschützer sind sich sicher: Alles, was befürchtet wird, ist bereits Realität. Das, was früher einmal „Schicksal“ genannt wurde, ist heute allzu oft das diskrete Ergebnis eines illegalen, aber dreist praktizierten Backgroundchecks.
Markus Morgenroth macht auf erschreckende Weise im “Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich!” klar, was längst an der Tagesordnung ist, und zeigt auf, wie wir uns halbwegs schützen können.
Auch Sie sollten das Buch zur Hand haben: Einerseits um sich überhaupt zu informieren, andererseits um die vielen nützlichen Internetseiten, die hinten im Buch sind, immer zur Verfügung zu haben.
Markus Morgenroth, geboren 1977 in Frankfurt am Main, ging nach seiner Ausbildung zum Informatiker in die USA. Dort arbeitete er im Silicon Valley knapp zwei Jahre lang als Software Engineer bei einem der führenden Unternehmen im Bereich der verhaltensbasierten Datenanalyse. 2007 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete fortan als Managing Director of European Operations.
Seit seinem Ausstieg aus dem Geschäft 2013 ist Markus Morgenroth als Consultant tätig und berät Firmen zu Fragen rund um den Datenschutz sowie die Chancen und Risiken von Big Data.
!Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich
von Morgenroth, Markus;
Gebunden
Die wahre Macht der Datensammler. 272 S. 21,5 cm 435g , in deutscher Sprache.
2014 Droemer/Knaur ISBN 3-426-27646-1
ISBN 978-3-426-27646-4 |19.99 EUR
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